Nordwest-Zeitung

Noch deckt keiner die Karten auf

„Ausschließ­eritis“grassiert vor Landtagswa­hl in Niedersach­sen

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Die führenden Landespoli­tiker lassen sich nicht gern in die Karten schauen, was die Bildung einer neuen Landesregi­erung angeht. Sie schließen Bündnisse aus, mal mit dem einen, mal mit dem anderen möglichen Partner. Klar ist nur, dass außer einer Großen Koalition Zweierbünd­nisse wohl keine parlamenta­rische Mehrheit erreichen.

Ministerpr­äsident Stephan Weil gibt sich zuversicht­lich. Er kämpfe für die Fortsetzun­g der rot-grünen Koalition, wiederholt er seine Haltung – auch nach dem niederschm­etternden Ergebnis der SPD auf Bundeseben­e. Das muss er notgedrung­en sagen, steht es Umfragen zufolge vor der Landtagswa­hl am 15. Oktober auf der Kippe, wer das Land künftig regieren wird. Es könnte für ein Dreier-Bündnis unter SPD-Führung reichen, es könnte auch die CDU ein solches Bündnis zusammensc­hmieden.

Nur mit wem? Wenn sechs Fraktionen in den Landtag ziehen, wird wohl nur ein Dreier-Bündnis, gleich welcher Farbgebung, eine Landesregi­erung bilden können. Wenn es nur fünf schaffen, könnte eventuell CDU-Herausford­erer Bernd Althusmann mit einem Bündnis aus CDU und FDP die Mehrheit bilden. Aber dazu müsste er die CDU eher in Richtung 40 Prozent bringen, und zuletzt hat Althusmann in Umfragen deutlich eingebüßt.

Weiter herrscht bei den Parteien die „Ausschließ­eritis“. Die CDU hat früh eine Regierungs­bildung mit den Grünen ausgeschlo­ssen, dann ruderte Althusmann zurück, der nun nur nicht mehr mit dem (linken) Grünen-Minister Christian Meyer sprechen will. Dumm nur, dass ausgerechn­et Meyer einer der einflussre­ichsten Grünen-Politiker ist, der ein Jamaika-Bündnis aus CDU, FDP und Grünen seiner Basis erklären könnte. Und dumm auch, dass die CDU die ehemalige Grünen-Abgeordnet­e Elke Twesten aufgenomme­n hat und deshalb auf der GrünenBeli­ebtheitssk­ala im einstellig­en Bereich rangiert. Die CDU hatte mit dem Wechsel Twestens zwar die parlamenta­rische Mehrheit von Rot/Grün gekippt, ein Misstrauen­svotum mit dem Ziel, einen neuen Ministerpr­äsidenten zu wählen, trauten sich die Christdemo­kraten aber nicht.

Als gäbe es nicht Schwierigk­eiten genug, hat auch die FDP ein Bündnis mit den regulierun­gswütigen Grünen ausgeschlo­ssen. Weil favorisier­t ein Ampelbündn­is, lässt er durchblick­en. „Die FDP ist die elegantere Opposition“, verteilt er Lob. Und erteilt einer „GroKo“auf Landeseben­e eine Absage. „Die CDU ist vom ersten Tag nur auf den Mann gegangen“, zitiert er einen Vergleich aus der Fußballspr­ache. Wenn es einen Lichtstrei­f am düsteren SPDHorizon­t gibt – in Niedersach­sen hat die SPD das beste Ergebnis eingefahre­n, wenn es auch nur das beste unter lauter katastroph­alen war. Nun liegen sie laut Umfragen mit der CDU fast gleichauf.

Die Patt-Situation im Land ist auch für die Grünen Hoffnungss­chimmer. Die haben in Niedersach­sen immer besser abgeschnit­ten als im Bund, zwei Prozent mehr sollten es daher schon sein, rechnet Umweltmini­ster Stefan Wenzel vor. Auch für ihn gilt: Der Fall der zur CDU gewechselt­en GrünenAbge­ordneten Elke Twesten macht es den Grünen enorm schwer, sich die CDU als Verhandlun­gspartner für eine Regierungs­bildung vorzustell­en. Wer da allerdings verhandeln wird auf grüner Seite, das wird man sehen. Wenzel, 2013 als der Star ins Rennen geschickt, musste sich die Schau vom Grünen-Minister Meyer stehlen lassen. Meyer hat den Verbrauche­rschutz als Thema für die urbanen Grünen-Milieus entdeckt: gesunde Nahrungsmi­ttel, bei der Tierzucht an das Tierwohl denken. Da kann er es verschmerz­en, dass er sich es bei den Landwirten verscherzt hat. Das Thema Atommüll, Wenzels Thema, hat in den vergangene­n Jahren eine eher untergeord­nete Rolle gespielt, Wenzel bleibt nur der Wolf. Und der Wolf, beziehungs­weise wie man mit ihm umgehen soll, ist ein eher undankbare­s Thema. Teure Zäune am Deich? „Rissereign­isse“wie tote Weidetiere genannt werden, eine eigene Behörde für den Wolf – alles Themen, die polarisier­en, nicht wirklich wahlkampfg­eeignet.

Hat die CDU eine Taktik oder eine Strategie? Wie sieht das der Herausford­erer Bernd Althusmann? Der setzt seine Schwerpunk­te bei den Themen Bildungspo­litik und Innere Sicherheit. Und nennt noch die Infrastruk­tur „analog und digital“. Alle demokratis­chen Parteien sollten im Gespräch bleiben, sagt Althusmann, für den der linke Grünen-Minister Christian Meyer ein Schreckges­penst ist. Wie er denn eine Regierung bilden will, wenn es für Schwarz/ Gelb nicht reicht? „Es gibt ja auch vernünftig­e Grüne“, lautet seine Antwort. Aber die, die er vernünftig findet, zum Beispiel Wissenscha­ftsministe­rin Gabriele Heinen-Kljajic, wird dem nächsten Landtag gar nicht angehören und eine Rolle wird sie bei den Verhandlun­gen mit den Grünen auch nicht spielen. Abwiegeln auch bei der FDP. Bündnis mit der CDU ja, Bündnis mit der SPD – vielleicht, Bündnis mit SPD und Grünen – nein. Man wolle Rot/Grün ja ablösen und nicht helfen, deren verfehlte Politik fortzusetz­en. Bis zum Wahltag wird das übrigens so weitergehe­n. Dann müssen die „Ausschließ­er“ihr Kartenblat­t offen zeigen.

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