Alles aus der Wundertüte
C,alslr Tag ein Leben“– Abend zu Astrid Lindgren im Theater Laboratorium
Regie führte Pavel Möller-Lück. Das Stück zeigt uns die Frau hinter Pippi Langstrumpf. Und dieser Frau ging es nicht immer gut.
OLDENBURG – Nichts interessiert uns Menschen mehr als der Mensch. Wer war Astrid Lindgren (1907–2002)? Die Frau hinter Bullerbü und einem x-beinigen Supermädchen? Die Autorin hinter ländlicher Idylle? Antworten gibt das Stück „Dieser Tag ein Leben“.
Das Oldenburger Theater Laboratorium, ein Kleinod, hat es geschafft, das Leben der schwedischen Autorin zu beleuchten, ohne sie zu demontieren. Gezeigt wird uns die komplizierte Frau hinter den Bestsellern. Die Frau, die ein Leben lang unter Melancholie und Schuldgefühlen litt. Und doch schwingt an diesem feinen Abend (Regie: Pavel Möller-Lück) immer auch viel Leichtes, ja Charmantes mit.
Der Abend beginnt mit einem tollen Trick. Wie improvisiert schlendert Barbara Schmitz-Lenders auf die Bühne. In einer Art Talkshow empfängt sie als Gast – Astrid Lindgren. Und schon beginnt das Spiel: Hier die Interviewerin, die ihren angelesenen Tiefsinn in unsäglich gebildete Fragen packt, dort die klare, direkte Autorin, die einfach nur schreibt, weil es ihr Spaß macht. Sagt sie jedenfalls.
Barbara Schmitz-Lenders und Anja Hursie spielen fortan, manchmal fast in Sekunden wechselnd, mal die Lindgren, mal Verwandte, Freunde, Weggefährten. Der rote Faden des eindreiviertel Stunden dauernden Abends liefert die Biografie der Autorin. Wir werden dabei munter geleitet,
auch durch schönes Erzählen. Auf diese Weise erfahren wir von Lindgrens Sohn Lasse, den die ledige Mutter im strengen Schweden weggeben musste, hören von Ehezwist und vom abgelehnten Manuskript ihres späteren Welterfolgs, erleben ihren Ruhm.
Die Bühne? Aus wenig zaubert man da viel (Beatrice Bader/Janosch Dannemann). Hinten sind Stellwände, bepackt mit Fotos und Papieren zur Lindgren. Wann immer es sich ergibt (und es ergibt sich oft), greifen die beiden überzeugenden Schauspielerinnen dahin, packen ein Papier und lesen vor. Oder, auch ein kleines Bühnenwunder, sie bringen durch bloßes Antippen versteckte Filmchen auf den Stellwänden zum Laufen,
und verwandeln sich scheinbar in die Figuren auf dem jeweiligen Bildschirm.
So gleicht der Abend einer Wundertüte. Alle naselang werden wir überrascht, erfreut, erheitert, darunter mit Musik, alten Gesprächsaufnahmen, lässigen Kommentaren. Und da haben wir noch gar nicht von den Puppen gesprochen, die dieses Theater stets genial einzubinden weiß, etwa die fast lebensgroße der Lindgren.
Das Spielerische, das die Schwedin in ihren Büchern feiert, hier wird es zum Rohstoff einer Inszenierung, in der auch der Affe Herr Nilsson putzig um die Ecke lugt oder Pippis Pferd auftaucht. Naja, zumindest Kopf und Po.
So ein Projekt entsteht nicht nebenher, sondern aus langer Beschäftigung mit der verehrten Autorin. „Dieser Tag ein Leben“heißt der Abend nach einem Lindgren-Zitat: Man soll so leben, als habe man nur diesen Tag.
Leicht gesagt? Ja. Aber wenn dieses Stück zum letzten Tag gehört, haben wir keine Minute verplempert.