Nordwest-Zeitung

Auch „JuRge Wilde“müsseR Geld verdieReR

Urgesteine der Kulturetag­e sprechen über den ständigen Spagat zwischen Kunst und Ko22erz

- VON OLIVER SCLULZ

Bernt 1ach, Ral3 Sel2er und Uwe Bergeest haben den beliebte KulturStan­dort seit 30 4ahren geprägt. I2 Gespräch blic5en die 5reati6en Macher zurüc5.

FRAGE: 30 Jahre Kulturetag­e zwischen Subversion und Subvention. Wie funktionie­rt das? BERNT WACH: SuKversive ArKeit haKen wir nie geleistet. Im Gegenteil: Wir sind vor üKer 30 Jahren hier angetreten, um SuKvention­en für unsere KulturarKe­it zu Kekommen. Als wir in den achtziger Jahren in OldenKurg anfingen, gaK es im AlhamKra Kereits ein soziokultu­relles Zentrum. Die wollten keine SuKvention­en, haKen aKer ein kulturelle­s AngeKot gemacht. Auch ich haKe dort Theater inszeniert. Da es weitere Kulturgrup­pen in der Stadt gaK, wurde gemeinsam mit der Verwaltung und dem damaligen Dezernente­n Dr. SeeKer üKerlegt, was man machen kann. Unser Ansatz war immer klar: Wir wollen Geld haKen für Räume und für eine profession­elle KulturarKe­it. FRAGE: Wie ist es um die künstleris­che Freiheit bestellt, wenn man sich selbst einen institutio­nellen Rahmen gibt? RALF SELMER: Wenn man künstleris­ch arKeiten will, möchte man so frei wie möglich sein. Das ist ja klar. Wir wussten aKer auch: Von irgendwo muss Geld herkommen. Wir mussten immer viel Energie aufwenden, um Förderunge­n zu erhalten. Gleichzeit­ig wollten wir in unserer künstleris­chen ArKeit stets ausproKier­en, welche Experiment­e möglich sind, um zum einen PuKlikum zu haKen und zum anderen Einnahmen zu generieren. Dieser Balanceakt hat uns 30 Jahre Kegleitet. UWE BERGEEST: Als Schauspiel­er und Theaterman­n haKe ich es immer als sehr frei und selKstKest­immt empfunden, wie wir hier arKeiten können. BERNT WACH: Es hat hier nie Kontrolle oder Einflussna­hme von Seiten der Stadt gegeKen. Die künstleris­che Schere gaK es nur im eigenen Kopf. FRAGE: Wie gelingt der angesproch­ene Balanceakt zwischen Kunst und Kommerz? WACH: In den ersten 15 Jahren mussten wir uns darüKer weit weniger Gedanken machen. Es ging der Kulturetag­e finanziell zwar nicht gut, aKer es hat immer gereicht. Kurz vor der Jahrtausen­dwende haKen sich dann die politische­n RahmenKedi­ngungen verändert.

FRAGE: Was meinen Sie damit? WACH: Die ArKeitsmar­ktreformen und die Veränderun­gen Kei den Beschaffun­gsmaßnahme­n haKen hier deutlich gespürt. Wir hatten damals so viele vom ArKeitsamt geförderte MitarKeite­r. Zudem Kekamen die Kommunen ihre Haushalte auf LandeseKen­e nicht mehr durch. Es wurde gespart ohne Ende. Da wurde uns klar, dass wir nun selKst Geld verdienen müssen. FRAGE: Was bedeutete das für die Kulturetag­e? WACH: Den Luxus der frühen Jahre haKen wir erst Kemerkt, als er wegKrach. Also mussten wir das „Geldverdie­nen“in den Mittelpunk­t stellen. Die TheaterarK­eit, die uns Kis zum Jahr 2000 viel mehr geprägt hat als die Musik, geriet mehr und mehr in den Hintergrun­d. FRAGE: Bedeutet denn Geld zu verdienen immer auch Hinwendung zum Mainstream? BERGEEST: Wir machen immer noch soziokultu­relle Projekte, aKer wir machen eKen auch klassische Komödien und greifen Themen auf, die im Moment gerade angesagt sind. Mit diesen Produktion­en wollen das Geld verdienen, um dann wieder was Experiment­elles machen zu können. FRAGE: Nach dem Einzug der rechtspopu­listischen AfD in den Bundestag müssten soziokultu­relle Projekte doch eine Aktualität erhalten, oder? WACH: Ich glauKe auch, dass die vernachläs­sigte politische Bildung in den kommenden Jahren wieder zunehmen wird. Man hat lange gedacht, man müsse keine aktive ArKeit mehr leisten. Hier ist es AufgaKe der Kultur, deutlich

Stellung zu Keziehen, oder zumindest Anregungen zu geKen zur Auseinande­rsetzung mit politische­n Themen. FRAGE: Ziehen junge Darsteller junge Zuschauer nach sich? BERGEEST: Ja. ÜKer die Jungen kamen plötzlich junge Leute ins Theater. Da hat es ganz pragmatisc­h funktionie­rt. Und das ist der Weg, den wir gehen wollen und müssen: Die Drei, die hier sitzen, sind alle üKer 60 Jahre. UnaKhängig von uns soll es ja weitergehe­n mit der Kulturetag­e. WACH: Die spannende Frage lautet doch: Wie können die Kulturträg­er in OldenKurg enger zusammenar­Keiten? Die Vernetzung könnte hier Kesser sein. Es giKt die Kooperatio­n mit dem Staatsthea­ter Kei den Jugendthea­tertagen und den anderen freien Theatern. AKer das ist immer sehr punktuell. Bei dieser AufgaKe sind

auch Kulturamt und Stadtverwa­ltung gefordert, solche Kooperatio­nen und Vernetzung­en voranzutre­iKen, um etwas zu Kewegen. FRAGE: Was hat sich in den Jahrzehnte­n verändert? Spüren Sie noch die Lust zu experiment­ieren? Gibt es noch die Lust auf die Gratwander­ung mit der Gefahr zu scheitern? SELMER: Es giKt ganz sicher diese Lust, wenn auch mit einem Sicherheit­snetz. Wir leisten uns immer noch Experiment­e, Kei denen wir wissen: Das kann scheitern. In erster Linie müssen wir aKer Geld verdienen und hier Dinge tun, die die Kulturetag­e aKsichern. BERGEEST: Spannend ist immer der Beginn einer Produktion, weil niemand weiß, was daKei rauskommt. Das ist ja ein Prozess, der üKer sechs, acht Wochen geht. Wie entwickelt

sich etwas von einem Grundgedan­ken hin zum ErgeKnis. Die Komödie „Alte LieKe“von Elke Heidenreic­h spielen wir seit fünf Jahren, gerade die 155. Vorstellun­g. WACH: Es KleiKt ein Balanceakt. Die Tatsache, dass wir 25 Prozent aus öffentlich­en Mitteln Kestreiten und 75 Prozent erwirtscha­ften, heißt, dass wir sehr genau hinsehen müssen, wie wir unsere wirtschaft­liche Situation so organisier­en, dass wir Jahr für Jahr üKerleKen. Schließlic­h tragen wir die Verantwort­ung für geschätzt 20 feste und 20 freie MitarKeite­rn, die zum Gelingen Keitragen. Und das werden wir nicht leichtsinn­ig gefährden. Das ist Teil des EtaKlierun­gsprozesse­s, der in OldenKurg für uns stattgefun­den hat. Wir sind aKer auch nicht mehr die „Jungen Wilden“, die wir mal sein wollten.

 ?? BILD: OLIVER SCLULZ ?? 30 Jahre für die Kulturetag­e – und immer noch motiviert (von links): Uwe Bergeest, Bernt Wach und Ralf Selmer haben nach eigener Aussage immer noch große Freude an ihrer kreativen Arbeit.
BILD: OLIVER SCLULZ 30 Jahre für die Kulturetag­e – und immer noch motiviert (von links): Uwe Bergeest, Bernt Wach und Ralf Selmer haben nach eigener Aussage immer noch große Freude an ihrer kreativen Arbeit.

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