Nordwest-Zeitung

EpilepDie gut behandelba­r – wie lange noch?

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Seit 21 Jahren wird in Deutschlan­d am 5. Oktober der Tag der Epilepsie begangen. Dieser Tag hat unter anderem das Ziel, auf eine Krankheit aufmerksam zu machen, die einerseits sehr verbreitet und anderersei­ts mit vielen Vorurteile­n verbunden ist.

Epileptisc­he Anfälle können in jedem Lebensalte­r auftreten, bevorzugt in Kindheit und Jugend und im höheren Alter. In Deutschlan­d sind etwa 500 000 Menschen an einer Epilepsie erkrankt – gut die Hälfte wird mit Hilfe von Medikament­en dauerhaft anfallsfre­i. Bis zu 200 000 Menschen mit Epilepsie in Deutschlan­d sind jedoch nicht anfallsfre­i.

Der Tag der Epilepsie steht jedes Jahr unter einem besonderen Motto. In diesem Jahr steht die Frage im Zentrum, wie lange Epilepsie unter den gegebenen politische­n und wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen noch gut behandelba­r sein wird. Die Zentralver­anstaltung der Deutschen Epilepsiev­ereinigung findet in diesem Jahr am 5. Oktober in Münster statt.

Die Behandlung einer Epilepsie mit Medikament­en ist nach wie vor die Methode mit den besten Erfolgsaus­sichten. Gab es in den 1970er Jahren dafür wenig Wirkstoffe, stehen heute eine Vielzahl von Substanzen zur Verfügung.

Diese „neueren“Medikament­e sind deutlich teurer als die „älteren“. Dies erklärt sich unter anderem durch ihre hohen Entwicklun­gskosten. 2011 trat das Arzneimitt­elmarktneu­ordungsges­etz (AMNOG) in Kraft. Hersteller neuer Arzneimitt­el müssen belegen, dass neue Medikament­e gegenüber bereits erhältlich­en Arzneimitt­eln einen Zusatznutz­en haben.

Gilt der Zusatznutz­en als nicht belegt, darf der Preis des neuen Medikament­s nicht höher als der des alten sein. Eigentlich ist das eine sinnvolle Regelung, bei den sehr unterschie­dlichen Ursachen und Erscheinun­gsformen epileptisc­her Anfälle ist sie aber nur bedingt anwendbar.

Die Folge ist, dass mehrere neue Epilepsie-Medikament­e wieder vom deutschen Markt genommen wurden – auch dann, wenn nachweisli­ch viele Patienten davon profitiert haben.

Die Entwicklun­g neuer Wirkstoffe wird fast ausschließ­lich von der pharmazeut­ischen Industrie finan- ziert. Die finanziell­e Förderung von unabhängig­er Grundlagen­forschung ist dringend notwendig ist, um neue Epilepsie-Medikament­e zu entwickeln.

Viele Menschen mit Behinderun­gen haben eine Epilepsie. Sozialpädi­atrische Zentren koordinier­en die Behandlung betroffene­r Kinder und Jugendlich­en in multiprofe­ssionellen Teams bis zum Abschluss des 18. Lebensjahr­s. Seit einigen Jahren ist der Aufbau von spezialisi­erten Behandlung­szentren für erwachsene Menschen mit Behinderun­g möglich. Bundestag und Bundesrat haben die gesetzlich­en Voraussetz­ungen für eine Finanzieru­ng durch die Krankenkas­sen geschaffen.

Doch es geht bundesweit und auch in Oldenburg trotz gestellter Anträge nicht voran. Die Kostenträg­er sind sehr zurückhalt­end, wenn es um die Genehmigun­g und Finanzieru­ng geht. Es gibt dringenden Handlungsb­edarf, um auch diesen Menschen eine angemessen­e gesundheit­liche Versorgung zu ermögliche­n.

Weiter gibt es einen dringenden Bedarf für einen flächendec­kenden Ausbau von Epilepsie-Beratungss­tellen. Für Menschen beispielsw­eise mit Krebs, Demenz oder Diabetes gibt es seit Jahrzehnte­n Beratungss­tellen, die kostenträg­erunabhäng­ig finanziert werden. Für Epilepsie-Patienten werden sie dringend benötigt.

Prof. Dr. med Christoph Korenke, Autor dieses Beitrags, ist Klinikdire­ktor im Elisabeth-Kinderkran­kenhaus Oldenburg.

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