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Kurt Seibert überzeugt im PFL mit Schumann und Worten
OLDENBURG – Klavierabende sind heutzutage Rituale gehobenen Bildungskonsums. Ein überregional bekannter Pianist stellt beliebte Werke mit technischem Anspruch auf hohem handwerklichen Niveau mit ein paar Showeinlagen und nonverbalen Versicherungen seiner emotionalen Beteiligung dar. Am Ende gibt es rasenden Applaus und ein leichtes, zumeist melodienseliges Encore.
Anders bei Kurt Seibert. Der emeritierte Professor für Klavierspiel bestreitet im PFL Gesprächskonzerte mit einem thematischen Schwerpunkt – diesmal die angeblich leichten Stücke für Anfänger von Robert Schumann, die dieser erfolgreich unter den Titeln „Kinderszenen“(1838) und „Album für die Jugend“(1848) verlegen ließ. Seibert führte aus, auf welche kulturelle, gesellschaftliche und pädagogische Situation diese beiden Werke reagierten, welches Publikum sie vorfanden und wie sie zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung von gebildeten Erwachsenen verstanden wurden. Da all diese Voraussetzungen heute nicht mehr bestehen und uns nur die klangliche Oberfläche bleibt, unternahm es der Pianist, die Werke insgesamt und teils auch minutiös im Detail durchsichtig zu machen.
Noch interessanter und eindringlicher für das Auditorium waren die am Klavier demonstrierten möglichen Spielweisen einzelner Takte und Passagen. Hier und natürlich noch mehr in der anschließenden Interpretation in drei großen Blöcken ließ sich vernehmen, wie minutiös erarbeitet und immer wieder an originalen Anweisungen das Spiel Seiberts ist.
Die geistige, intellektuelle Substanz der insgesamt 38 Klavier-Psychogramme zu Themen des Jahreslaufs, des ländlichen Lebens und der Kinderwelt ist der manchmal bewusst naiv und kindlich daherkommenden Oberfläche ohne eingehende Studien nicht abzulesen. Seibert fand die passenden Worte für dieses kulturelle Erziehungsprogramm am Klavier mit all den versteckten Bildungszitaten, die der Laie nicht wird aufschlüsseln können.
Robert und Claras Tochter Eugenie brachte Jahrzehnte später, 1920, ein Erinnerungsbüchlein heraus, in dem sie beschreibt, wie extrem genau die Pianistin Clara ihre musikalische Ausbildung anhand ausgewählter Kinder- und Jugendstücke des verehrten Vaters nahm und wie peinlich genau und ausdifferenziert die Anweisungen für die Wiedergabe des Ausdrucks und kleiner, schnell übersehener Finessen war. Der Pianist las aus diesem Büchlein vor und setzte die Anweisungen ein völlig verändertes Jahrhundert später in Töne um: eine kleine Offenbarung einer kulturellen Erziehung am Klavier!