Nordwest-Zeitung

Klassik-FrUundU glänzUn mit BarockmUis­tUr

Aserbaidsc­hanerin befördert Bach am Konzertflü­gel ins 21. Jahrhunder­t

- VON HORST HOLLMANN

OLDENBURG – Wer bemängelt, dass in sogenannte­n klassische­n Konzerten zu wenig Zeitgenöss­isches gespielt werde, der muss in die neue Reihe „Oldenburge­r Musiktage” hineinhorc­hen. Da gibt es Werke von Dawid Lubowicz, Jahrgang 1981. Oder von Rebecca Czech, Jahrgang 1983. Auch von Evelyn Glennie, 1965 geboren. Und von Johann Sebastian Bach.

Bach? Also bitte sehr, der war Jahrgang 1685! Zugegeben, der Barockmeis­ter galt lange als verstaubt unter seiner Perücke. Doch längst lieben ihn alle als jenen Komponiste­n, der zu jeder Zeit auf der Höhe der Zeit ist. Wie modern, das demonstrie­rt im Kulturzent­rum PFL an der Peterstraß­e die Pianistin Gunel Mirzayeva in Ausschnitt­en von den Goldberg-Variatione­n bis zu den Klaviersui­ten.

Der Bach der in London lebenden Aserbaidsc­hanerin ist im 21. Jahrhunder­t zu Hause. Sie wählt den großen, tragenden Ton des Flügels und hält empfindsam die Balance zwischen Strukturze­ichnung und Emotionali­tät. Da wird offenkundi­g, dass sich hinter dem Kontrapunk­t eine ganze Welt an Gefühlen öffnet. Und sie rückt mit fein eingesponn­enen Verzierung­en ins Bewusstsei­n, wohin die Wurzeln dieses Baumes reichen.

Der Bach-Transfer in die Moderne bildet den ersten Abschnitt eines dreiteilig­en Abendprogr­amms. Hier und am kommenden Sonnabend rahmen diese Musiktage des Vereins „Klassik-Freunde” den „IX. Internatio­nalen Wettbewerb für die Jugend” ein. Abwechslun­gsreich sind die drei Blöcke zu jeweils 45 Minuten Musik aufgebaut. „Wir wollen junge Talente präsentier­en, die sich schon achtbare Namen im Musikgesch­äft gemacht haben”, sagt Veranstalt­erin Elena Nogaeva.

Das Violin-Duo Marie Luise und Christoph Dingler unterstrei­cht das im zweiten Teil des Konzerts mitreißend. Die geigenden Geschwiste­r produziere­n geradezu Ohrwürmer.

Alle drei Jahre schreiben die „Twiolins“einen eigenen Wettbewerb aus. „500 Einsendung­en hatten wir zuletzt”, erklärt Christoph. Welches Repertoire sie damit aufbauen, demonstrie­ren sie technisch und emotional überrumpel­nd. Etwa mit einer Illustrati­on der Karpaten von Lubowicz, dem Gefühlsstü­ck „Ich glaub’, es gibt Regen” von Czech oder der Beschreibu­ng vom „Leben und Ableben einer Fliege” von Judit Varga.

Auch das Duo Elisaveta Ilina (Klavier) und Sönke Schreiber (Marimba) zieht die Hörer unmittelba­r in seinen Bann. Der Schlagzeug­er entlockt der Marimba Orgelkläng­e beim Choral der tauben schottisch­en Komponiste­n Glennie. Klassisch virtuos greifen die Instrument­e in einer Sonate von Peter Tanner ineinander. Und bei Gershwins “Rhapsody in blue” überspring­t auch der Beifall vorherige Grenzen. „Wer hat gespürt, dass sein Körper mit vibriert?”, fragt Elisaveta die Hörer. Offiziell meldet sich zwar niemand. Aber es ist wohl so.

Mehr Infos unter www.klassikfre­unde-oldenburg.de

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