„Sehe Chancen für Einigung“
Die FDP-Vizechefin Katja Suding über Koalitionsverhandlungen
FRAGE: Frau Suding, die FDP will im Bundestag nicht neben der AfD sitzen, protestiert gegen den Sitzordnungsvorschlag. Ist das nicht absurdes Theater? SUDING: Es geht uns nicht darum, nicht neben der AfD zu sitzen. Wir wollen nicht rechts, sondern in der Mitte des Parlaments sitzen. Genau da gehören wir aus programmatischen Gründen hin. In Hamburg sitzt die AfD ganz rechts, dann kommt die CDU, dann folgen wir, SPD und Grüne schließen sich an. Das ist ein Vorbild für den Bund. FRAGE: Der angestammte Platz der FDP im Bundestag war schon immer rechts von der Union. Warum bestehen Sie nun auf eine neue Platzierung? SUDING: Unsere Position ist die Mitte. Das wollen wir für alle sichtbar symbolisieren, da geht es um mehr als um eine Sitzordnung. Aber auch wenn uns dieser Punkt wichtig ist, werden wir uns in dieser Frage nicht verkämpfen. Am Ende wird eine Mehrheit entscheiden. FRAGE: Morgen ringen CSU und CDU um eine Lösung des Streites über die Obergrenze. Wie könnte ein Ausweg aussehen? SUDING: Die FDP hat ein klares Konzept für ein modernes Einwanderungsgesetz vorgelegt, um die Zuwanderung zu steuern: Wer individuell verfolgt wird und damit ein Recht auf Asyl hat, muss aufgenommen werden. Hier kann es keine Obergrenze geben, das ist ein im Grundgesetz verankertes Grundrecht. Für Kriegsflüchtlinge brauchen wir einen befristeten Schutz, sie müssen wieder in ihre Heimat zurück, wenn diese befriedet ist. Und dann geht es um Menschen, die in Deutschland arbeiten wollen und die wir auf unserem Arbeitsmarkt dringend brauchen. Dafür kann es Kontingente geben. Die Kriterien für die Aufnahme von Arbeitsmigranten müssen wir genau definieren. Die Einwanderung darf nicht länger über den Asyl-Paragrafen erfolgen, hier ist Ordnung notwendig. FRAGE: Die CSU deutet ein Einlenken an, zeigt sich zu festen EU-Kontingenten zur Aufnahme von Flüchtlingen bereit, wenn der Außengrenzenschutz
und die Fluchtursachenbekämpfung verstärkt werden. Wird es darauf hinauslaufen? SUDING: Wir fordern schon seit Langem, die EU-Außengrenzen besser zu schützen und die Grenzschutzagentur Frontex zu diesem Zweck mit eigenen Durchgriffsrechten zu stärken. Außerdem wollen wir die Mittelmeerroute schließen und in Nordafrika in Zusammenarbeit mit dem UNHCR humane Flüchtlingslager einrichten, in denen Asylverfahren stattfinden können. Die CSU muss endlich sagen, wie die Obergrenze funktionieren und wofür sie gelten soll. Wenn sie einen Gesetzentwurf auf den Tisch legt, kann man feststellen, ob und wie man zusammenkommt. Ich sehe Chancen auf eine Einigung, weil alle Beteiligten mehr Ordnung bei der Zuwanderung wollen. FRAGE: Die FDP hat Bildung und Digitalisierung im Wahlkampf in den Vordergrund gerückt. Mit welchen konkreten Forderungen gehen Sie in die Verhandlungen? SUDING: In der Bildung braucht es mehr Koordination und mehr Kooperation von Bund und Ländern. Wir wollen bei den Bildungsausgaben wieder an die Spitze der Industriestaaten kommen, deshalb muss sich der Bund an der Finanzierung beteiligen dürfen. Bei der Digitalisierung wird Deutschland abgehängt werden, wenn wir nicht ganz schnell Gas geben und in ein leistungsfähiges Glasfasernetz investieren – auch und gerade im ländlichen Raum. Um das zu finanzieren, schlagen wir vor, die Bundesanteile von Post und Telekom zu verkaufen. FRAGE: Der Begriff 3eimat rückt nach der Wahl in den Mittelpunkt, aus der Union werden Forderungen nach einem Bundesheimatministerium laut... SUDING: Für uns ist ein Digitalministerium wichtiger. FRAGE: Muss sich die 4egierung stärker um die ländlichen 4egionen kümmern? SUDING: In Deutschland leben 60 Prozent der Menschen in ländlichen Regionen. Sie müssen genauso von hervorragenden Kitas, Schulen und Hochschulen sowie flächendeckendem Breitband-Internet profitieren können wie die Menschen in den Großstädten.