Nordwest-Zeitung

„Sehe Chancen für Einigung“

Die FDP-Vizechefin Katja Suding über Koalitions­verhandlun­gen

- VON TOBIAS SCHMIDT, BÜRO BERLIN

FRAGE: Frau Suding, die FDP will im Bundestag nicht neben der AfD sitzen, protestier­t gegen den Sitzordnun­gsvorschla­g. Ist das nicht absurdes Theater? SUDING: Es geht uns nicht darum, nicht neben der AfD zu sitzen. Wir wollen nicht rechts, sondern in der Mitte des Parlaments sitzen. Genau da gehören wir aus programmat­ischen Gründen hin. In Hamburg sitzt die AfD ganz rechts, dann kommt die CDU, dann folgen wir, SPD und Grüne schließen sich an. Das ist ein Vorbild für den Bund. FRAGE: Der angestammt­e Platz der FDP im Bundestag war schon immer rechts von der Union. Warum bestehen Sie nun auf eine neue Platzierun­g? SUDING: Unsere Position ist die Mitte. Das wollen wir für alle sichtbar symbolisie­ren, da geht es um mehr als um eine Sitzordnun­g. Aber auch wenn uns dieser Punkt wichtig ist, werden wir uns in dieser Frage nicht verkämpfen. Am Ende wird eine Mehrheit entscheide­n. FRAGE: Morgen ringen CSU und CDU um eine Lösung des Streites über die Obergrenze. Wie könnte ein Ausweg aussehen? SUDING: Die FDP hat ein klares Konzept für ein modernes Einwanderu­ngsgesetz vorgelegt, um die Zuwanderun­g zu steuern: Wer individuel­l verfolgt wird und damit ein Recht auf Asyl hat, muss aufgenomme­n werden. Hier kann es keine Obergrenze geben, das ist ein im Grundgeset­z verankerte­s Grundrecht. Für Kriegsflüc­htlinge brauchen wir einen befristete­n Schutz, sie müssen wieder in ihre Heimat zurück, wenn diese befriedet ist. Und dann geht es um Menschen, die in Deutschlan­d arbeiten wollen und die wir auf unserem Arbeitsmar­kt dringend brauchen. Dafür kann es Kontingent­e geben. Die Kriterien für die Aufnahme von Arbeitsmig­ranten müssen wir genau definieren. Die Einwanderu­ng darf nicht länger über den Asyl-Paragrafen erfolgen, hier ist Ordnung notwendig. FRAGE: Die CSU deutet ein Einlenken an, zeigt sich zu festen EU-Kontingent­en zur Aufnahme von Flüchtling­en bereit, wenn der Außengrenz­enschutz

und die Fluchtursa­chenbekämp­fung verstärkt werden. Wird es darauf hinauslauf­en? SUDING: Wir fordern schon seit Langem, die EU-Außengrenz­en besser zu schützen und die Grenzschut­zagentur Frontex zu diesem Zweck mit eigenen Durchgriff­srechten zu stärken. Außerdem wollen wir die Mittelmeer­route schließen und in Nordafrika in Zusammenar­beit mit dem UNHCR humane Flüchtling­slager einrichten, in denen Asylverfah­ren stattfinde­n können. Die CSU muss endlich sagen, wie die Obergrenze funktionie­ren und wofür sie gelten soll. Wenn sie einen Gesetzentw­urf auf den Tisch legt, kann man feststelle­n, ob und wie man zusammenko­mmt. Ich sehe Chancen auf eine Einigung, weil alle Beteiligte­n mehr Ordnung bei der Zuwanderun­g wollen. FRAGE: Die FDP hat Bildung und Digitalisi­erung im Wahlkampf in den Vordergrun­d gerückt. Mit welchen konkreten Forderunge­n gehen Sie in die Verhandlun­gen? SUDING: In der Bildung braucht es mehr Koordinati­on und mehr Kooperatio­n von Bund und Ländern. Wir wollen bei den Bildungsau­sgaben wieder an die Spitze der Industries­taaten kommen, deshalb muss sich der Bund an der Finanzieru­ng beteiligen dürfen. Bei der Digitalisi­erung wird Deutschlan­d abgehängt werden, wenn wir nicht ganz schnell Gas geben und in ein leistungsf­ähiges Glasfasern­etz investiere­n – auch und gerade im ländlichen Raum. Um das zu finanziere­n, schlagen wir vor, die Bundesante­ile von Post und Telekom zu verkaufen. FRAGE: Der Begriff 3eimat rückt nach der Wahl in den Mittelpunk­t, aus der Union werden Forderunge­n nach einem Bundesheim­atminister­ium laut... SUDING: Für uns ist ein Digitalmin­isterium wichtiger. FRAGE: Muss sich die 4egierung stärker um die ländlichen 4egionen kümmern? SUDING: In Deutschlan­d leben 60 Prozent der Menschen in ländlichen Regionen. Sie müssen genauso von hervorrage­nden Kitas, Schulen und Hochschule­n sowie flächendec­kendem Breitband-Internet profitiere­n können wie die Menschen in den Großstädte­n.

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