Nordwest-Zeitung

Mit Ächtung gegen Atomwaffen

0can mobilisier­t die Welt – Verbotsver­trag durchgeset­zt – Deutsche Unterschri­ft fehlt noch

- VON CHRISTIANE OELRICH

Jahrzehnte­lang redeten viele über Atomabrüst­ung, aber es tat sich wenig. Dann kam die Kampagne Ican auf den Plan.

GENF/OSLO – Einn – die Abkürzung der „Internatio­nalen Kampagne für die Abschaffun­g von Atomwaffen“klingt auf Englisch nach Action: I can – ich kann. Das erinnert an den Wahlkampfs­chlachtruf von Barack Obama, mit dem er vor seiner ersten Wahl die Massen mobilisier­te. Und Ican sieht sich auch als Massenmobi­lisierer.

„Die Folgen eines Atomschlag­s sind so verheerend, dass kaum einer darüber nachdenken will“, sagte Beatrice Fihn, Geschäftsf­ührerin von Ican. „Politiker sagen: ,Ihr Aktivisten versteht davon nichts, bei den Atomwaffen geht es um strategisc­he Sicherheit.‘ Aber wir haben Atomwaffen mit diesem Vertrag wieder zu einer humanitäre­n Frage gemacht.“Nach Fihns Lesart ist die Sache ganz einfach: Ist es akzeptabel, Hunderttau­sende Menschen umzubringe­n oder nicht? Wenn nicht, müssten Atomwaffen verboten werden.

Ican ist ein Bündnis von rund 450 Mitgliedso­rganisatio­nen in aller Welt. Seit 2007 kämpft das Bündnis gegen den Widerstand der Atommächte dafür, Atomwaffen per internatio­nalem Vertrag zu verbieten. Es mobilisier­t Atomwaffen­gegner in aller Welt, bearbeitet Regierunge­n und schafft das kaum für möglich Gehaltene: Im Juli 2017 wird in New York der Internatio­nale Vertrag zum Verbot von Atomwaffen unterzeich­net. Er verbietet deren Herstellun­g, Besitz, Einsatz und Lagerung.

UN-Generalsek­retär António Guterres feierte ihn als Meilenstei­n. Im September kommen die ersten gut 50 Unterschri­ften zusammen. Der Vertrag tritt in Kraft, wenn mindestens 50 Länder ihn ratifizier­t haben. Fihn hofft, dass das bis Ende nächsten Jahres der Fall ist.

Fihn kennt das Argument, Atomwaffen seien zur Abschrecku­ng nötig. „Haben Atomwaffen im Kalten Krieg den Frieden bewahrt? Das ist nicht beweisbar“, sagt Fihn. „Eins ist aber klar: Es gab jede Menge Beinahe-Zwischenfä­lle. Bislang haben wir Glück gehabt. Aber wenn es weiter Atomwaffen gibt, wird uns das Glück eines Tages verlassen. Das Vertrauen der ganzen Menschheit, dass nichts passiert, liegt in den Händen sehr weniger Individuen.“

Die Atommächte sind bei dem Vertrag nicht dabei: die USA, Russland, Großbritan­nien, China, auch nicht Indien, Pakistan oder Israel. Deutschlan­d und die anderen Mitglieder des nordatlant­ischen Atombündni­sses (Nato) auch nicht. Der Nato-Rat stellte klar: „So lange es Atomwaffen gibt, wird die Nato ein nukleares Bündnis sein.“

So ein Vertrag sei der Beginn einer Bewegung, das entwickle Eigendynam­ik, und kleinere Länder könnten die Großen damit unter Druck setzen, glaubt Fihn. Wie bei anderen internatio­nalen Verträgen etwa zum Verbot von Landminen, Streumunit­ion oder chemischen Waffen setzt Ican auf die Wirkung internatio­naler Ächtung. So ein Vertrag bringe nicht unterzeich­nende Regierunge­n unter Rechtferti­gungsdruck. Die Kampagne will die Daumenschr­auben nun weiter anziehen.

Dass Druck funktionie­rt, zeige der internatio­nale Vertrag zum Verbot von Streubombe­n. Den hätten die USA zwar nicht unterzeich­net. Aber der letzte US-Streubombe­nherstelle­r Textron stellt nun die Produktion ein. Das Geschäft läuft nicht mehr.

Ganze vier Leute sitzen im Ican-Büro beim Weltkirche­nrat in Genf. Herz der Bewegung sind Tausende Aktivisten in mehr als 100 Ländern, darunter Ican Deutschlan­d mit Sitz in Berlin.

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DPA-BILD: PEDERSEN Ican-Aktivisten mit Masken von Nordkoreas Diktator Kim Jong Un und US-Präsident Donald Trump protestier­en in Berlin.

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