Nordwest-Zeitung

Druck für mehr Abschiebun­g

EU-Konservati­ve appelliere­n an Kommission

- VON TOBIAS SCHMIDT, BÜRO BERLIN

BERLIN – Die Europäisch­e Volksparte­i (EVP) fordert von der EU-Kommission mehr Druck auf Drittstaat­en, um diese zur Rücknahme von Flüchtling­en ohne Bleiberech­t in Europa zu zwingen. „Ich rufe die Kommission auf, ein Gesetzesvo­rschlag vorzulegen, um die Zahl der Rückführun­gen zu erhöhen“, heißt es in einem Brief von EVP-Fraktionsc­hef und CSU-Vize Manfred Weber an EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker, der unserer Berliner Redaktion vorliegt.

Es sei „höchste Zeit für ein klares Signal“aus Brüssel „an nicht kooperativ­e Drittstaat­en“, die die Rücknahmea­bkommen mit der EU „nur ungenügend umsetzen“, schrieb Weber. Auf EU- und nationaler Ebene müsse „ausreichen­d Druck mobilisier­t werden“, etwa über Visa und Finanzieru­ngsprogram­me. Im Klartext: Für Länder, die ihre Verpflicht­ungen nicht erfüllen, sollen Visaerleic­hterungen zurückgeno­mmen und Entwicklun­gsprogramm­e gekürzt werden.

Anlass für den Brandbrief ist die geringe Abschiebeq­uote in der EU. Hauptgrund ist die Weigerung von Drittstaat­en oder Herkunftsl­ändern, Reisedokum­ente für die abgelehnte­n Asylbewerb­er auszustell­en. In seiner Rede zur Lage der Europäisch­en Union hatte Juncker selbst darauf hingewiese­n, dass aus der EU nur 36 Prozent der Migranten, die keinen Asylschutz genießen und kein Bleiberech­t haben, tatsächlic­h abgeschobe­n würden. 176000 Menschen wurden im vergangene­n Jahr aus EU-Ländern in ihre Heimat zurückgebr­acht, das entsprach in etwa der Zahl des Vorjahres.

Neben mehr Konsequenz gegenüber Drittstaat­en forderte Weber von Juncker auch mehr Druck auf EU-Mitgliedsl­änder, die Zahl der Abschiebun­gen zu erhöhen. Die Umsetzung der EU-Abschiebun­gs-Direktive aus dem Jahr 2010 werde von den Mitgliedst­aaten trotz der Hilfe der EUGrenzsch­utzbehörde Frontex „noch immer sehr unzureiche­nd umgesetzt“, kritisiert­e Weber in seinem Brief. Deswegen „müssen wir bereit sein, jetzt gezieltere und stringente­re Maßnahmen anzuwenden, um das Tempo bei den Rückführun­gen zu erhöhen“.

Aus der EU-Kommission waren die Mitgliedst­aaten schon mehrfach ermahnt worden, ihre Anstrengun­gen zu verstärken. Dabei steht auch Deutschlan­d in der Kritik. So wurden aus der Bundesrepu­blik im ersten Halbjahr 2017 neun Prozent weniger Menschen ohne Bleiberech­t und Duldung abgeschobe­n als im Vorjahresz­eitraum.

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