WIE ES MIT KATALONIEN JETZT WEITERGEHT
Zataloniens Regierungschef verzichtet auf Erklärung – Aufruf zu Dialog mit Spanien
P
Zehntausende hatten sich in Barcelona mit Unabhängigkeitsflaggen in Stellung gebracht. Aber dann folgte die große Ernüchterung.
BARCELONA/MADRID – Mas sich am Dienstagabend im Parlament von Barcelona abspielte, glich einem Krimi. Die Nerven der Katalanen, aber auch der Spanier, waren zum Zerreißen gespannt, Demonstranten warteten auf den Straßen mit Unabhängigkeitsflaggen in der Hand, Dutzende Journalisten hatten sich in Stellung gebracht. Nur der Hauptdarsteller ließ auf sich warten: Carles Puigdemont, der Chef
der ungehorsamen Regionalregierung, der zusammen mit seinen Verbündeten seit Wochen das ganze Land in Aufruhr versetzt.
18 Uhr, eigentlich soll der 54-Jährige seine mit Spannung erwartete Rede beginnen. Dann aber lässt er verlauten, die Sitzung sei um eine Stunde verschoben. Spekulationen überschlagen sich: Gibt es Streit mit der ungeliebten Partei CUP, die beharrlich auf ihren Trennungsgelüsten pocht und auf deren Unterstützung die Regierungsallianz angewiesen ist? Wird er die Unabhängigkeit ausrufen oder sich für eine andere Variante entscheiden?
Nach 45 Minuten herrscht Klarheit – oder auch nicht. Puigdemont beleuchtet in einer eindringlichen Rede die derzeitige politische Situation samt ihrer Eskalation und erklärt dann, das Ergebnis des Abspaltungsreferendums vom 1. Oktober berechtige ihn, die Unabhängigkeit auszurufen. Zehntausende Demonstranten in Barcelona, die die Rede auf Großleinwand verfolgen, brechen in Jubel aus. Aber sie haben sich zu früh gefreut. Denn Puigdemont macht gleich einen Rückzieher und betont, zwar wolle er am Ziel der Trennung festhalten, aber zunächst einige Wochen lang einen Dialog mit Madrid versuchen, am besten
unter Vermittlung. Nun gibt es Pfiffe auf der Plaza.
Beobachter meinten
hingegen, dies sei ein geschickter Schachzug. Denn Puigdemont steht als gesprächsbereiter Gutmensch da, der noch einmal versucht, seinem Abspaltungsvorhaben Seriosität zu verleihen: „Wir sind keine Verbrecher, keine Verrückten, keine Putschisten“, ruft er den Spaniern zu und fügt ernst hinzu: „Ich appelliere an die Verantwortung aller. Die spanische Regierung fordere ich dazu auf, eine Vermittlung zu akzeptieren.“Ministerpräsident Mariano Rajoy lässt aber bereits durchblicken, seine Regierung betrachte die Aussagen dennoch als Unabhängigkeitserklärung und überlege sich die passende Reaktion darauf, berichtet die Zeitung „El País“am Abend. Am Rednerpult: Regierungschef Carles Puigdemont
„Wir sind keine Verbrecher, keine Verrückten, keine Putschisten“CARLES PUIGDEMONT