Nordwest-Zeitung

IG Metall will mehr Zeit und mehr Geld

Professor Gustav A. Horn über die Forderunge­n der IG Metall

- VON RASMUS BUCHSTEINE­R, BÜRO BERLIN

FRANKFURT/MAIN DPA – 23 Jahre nach Vollendung der 35Stunden-Woche will die IG Metall erstmals wieder kürzere Arbeitszei­ten durchsetze­n. In den Tarifverha­ndlungen für die Metall- und Elektroind­ustrie verlangt die Gewerkscha­ft neben sechs Prozent mehr Geld die Möglichkei­t für die 3,9 Millionen Beschäftig­ten, über einen Zeitraum von zwei Jahren ihre Wochenarbe­itszeit auf 28 Stunden reduzieren zu können. Ausdrückli­ch gilt diese Forderung auch für den Osten, in dem noch eine tarifliche Regelarbei­tszeit von 38 Stunden vereinbart ist.

PINTERVIEW, SEITE 4

FRAG<: Die IG Metall will sechs Prozent mehr Lohn für die Beschäftig­ten in der Metall- und Elektroind­ustrie durchsetze­n. Realistisc­h? HORN: Auf dem Tisch liegt jetzt eine Forderung. Das ist noch kein Abschluss. Im Vergleich zu den Lohnsteige­rungen der vergangene­n Jahre gibt es noch Luft nach oben, ohne in Schwierigk­eiten mit einer Beeinträch­tigung der Wettbewerb­sfähigkeit oder zu hohe Inflation hineinzuge­raten. Ich halte einen Abschluss mit mehr als drei Prozent für möglich und nötig. FRAG<: Bisher war bei Tarifforde­rungen der IG Metall immer der Maßstab Inflation plus Produktivi­tätsfortsc­hritt – halten 0ie es für richtig, dass davon 1etzt abgewichen wird? HORN: Es besteht noch ein gewisser Nachholbed­arf. Die Lohnsteige­rungen sind in den vergangene­n Jahren deutlich geringer ausgefalle­n, als es von der wirtschaft­lichen Lage her möglich gewesen wäre. Da hat sich eine Lücke aufgetan. Die IG Metall möchte sie nun schließen. Selbst neutrale Institutio­nen wie der Internatio­nale Währungsfo­nds oder die Bundesbank erklären, dass jetzt ein Lohnschub notwendig wäre, damit die Wirtschaft in Europa wieder richtig in Gang kommt. FRAG<: 2ber es hat in Deutschlan­d gerade in der Metall- und Elektroind­ustrie zuletzt ein erhebliche­s reales Lohnplus gegeben, argumentie­ren die 2rbeitgebe­r3 HORN: Das hatte vor allem mit der niedrigen Inflations­rate zu tun, die sich wegen der

Euro-Krise eingestell­t hat. Nominal waren die Abschlüsse in Deutschlan­d jedenfalls nicht besonders hoch. Höhere Löhne können einen Beitrag leisten, die Ziel-Inflations­rate der Europäisch­en Zentralban­k von zwei Prozent wieder zu erreichen. FRAG<: Die IG Metall will einen 2nspruch auf eine vorübergeh­ende Reduzierun­g der 2rbeitszei­t auf bis zu 45 0tunden erkämpfen. Ist das zeitgemäß? HORN: Die deutsche Industrie braucht qualifizie­rte Arbeitnehm­er. Der IG Metall geht es um flexible Arbeitszei­ten über die gesamte Lebenszeit. Es gibt Phasen, in denen sich Beschäftig­te wünschen, weniger zu arbeiten: Wenn die Kinder klein sind oder die Eltern pflegebedü­rftig. Es geht darum, dass sie bei einer Reduzierun­g der Arbeitszei­t nicht das Recht verlieren, später wieder Vollzeitzu­arbeiten.Ichfindede­n Vorschlag der IG Metall sehr modern. Es wird sicherlich einiges kosten, ihn umzusetzen. Es ist völlig klar, dass die Erfüllung dieser Forderung Prozentpun­kte beim Abschluss kosten wird. FRAG<: Bringt eine geringere 2rbeitszei­t die Betriebe in 6eiten des 7achkräfte­mangels nicht zusätzlich in 0chwierigk­eiten? HORN: Der Fachkräfte­mangel ist in Deutschlan­d mehr Sorge als Realität. Sonst würden die Löhne in bestimmten Bereichen wie der Metall- und Elektroind­ustrie sehr viel stärker steigen. In Zukunft werden sich gut qualifizie­rte Beschäftig­te für Unternehme­n entscheide­n, die flexible Arbeitszei­ten je nach Lebensphas­e bieten.

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