Der Egoist
Lataloniens Regierungschef Carles Puigdemont tritt kräftig auf die Bremse, vermeidet einen Frontalzusammenstoß mit Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy in letzter Sekunde. Man könnte glauben, dieser Populist wäre endlich vernünftig geworden. Tatsächlich ist er aber wohl genauso egoistisch wie zuvor.
Seit seiner Wahl an die Spitze der Regionalregierung im Jahr 2015 hat Puigdemonts Allianz Junts pel Sí die Abspaltung Kataloniens von Spanien vorangetrieben – auf Kosten Spaniens und auch auf Kosten Kataloniens. Nun sichergestellte Dokumente zeigen, dass all die unsäglichen Aussagen und Aktionen aus Barcelona der vergangenen Monate keinesfalls spontane Aufschreie nach Freiheit waren, sondern geplante Provokationen in Richtung Madrid. Die heftige Erwiderung der Zentralregierung, das Eingreifen der nationalen Justiz und das Einschreiten der nationalen Polizei waren fest einkalkuliert. Die politische und wirtschaftliche Destabilisierung wurde billigend in Kauf genommen. Nur, damit sich Puigdemont und seine Freunde als Befreier Kataloniens feiern lassen können.
Begleitet wurden all die provokanten Äußerungen gegenüber der Zentralregierung von populistischen Verheißungen an die eigene Bevölkerung: Katalonien behält sein Geld und erhält seinen Stolz zurück. Katalonien trennt sich von Madrid, aber bleibt mit Brüssel verbunden. Dagegen kam mit Fakten irgendwann niemand mehr an – wie zuvor in den USA bei Trumps Versprechen und in Großbritannien bei Farages’ Versicherungen. Doch Kleinstaaterei funktioniert in einer globalisierten Welt nicht, das ist vielen Amerikanern, vielen Briten heute klar, und vielen Katalanen nach den vergangenen Tagen ebenso.
Hätte Puigdemont am Dienstag vor dem Regionalparlament in Barcelona die Unabhängigkeit Kataloniens verkündet, hätte Rajoy am Mittwoch vor dem Nationalparlament in Madrid die Verhaftung des Katalanen verkündet. Jetzt behält Puigdemont seine persönliche Freiheit. Und es steht ihm frei, zurückzutreten und Platz für eine wirklich vernünftige Regionalregierung zu machen.
@ Die Autorin erreichen Sie unter Dosch@infoautor.de
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