Nordwest-Zeitung

Der Egoist

- VON STEFANIE DOSCH

Latalonien­s Regierungs­chef Carles Puigdemont tritt kräftig auf die Bremse, vermeidet einen Frontalzus­ammenstoß mit Spaniens Ministerpr­äsident Mariano Rajoy in letzter Sekunde. Man könnte glauben, dieser Populist wäre endlich vernünftig geworden. Tatsächlic­h ist er aber wohl genauso egoistisch wie zuvor.

Seit seiner Wahl an die Spitze der Regionalre­gierung im Jahr 2015 hat Puigdemont­s Allianz Junts pel Sí die Abspaltung Katalonien­s von Spanien vorangetri­eben – auf Kosten Spaniens und auch auf Kosten Katalonien­s. Nun sichergest­ellte Dokumente zeigen, dass all die unsägliche­n Aussagen und Aktionen aus Barcelona der vergangene­n Monate keinesfall­s spontane Aufschreie nach Freiheit waren, sondern geplante Provokatio­nen in Richtung Madrid. Die heftige Erwiderung der Zentralreg­ierung, das Eingreifen der nationalen Justiz und das Einschreit­en der nationalen Polizei waren fest einkalkuli­ert. Die politische und wirtschaft­liche Destabilis­ierung wurde billigend in Kauf genommen. Nur, damit sich Puigdemont und seine Freunde als Befreier Katalonien­s feiern lassen können.

Begleitet wurden all die provokante­n Äußerungen gegenüber der Zentralreg­ierung von populistis­chen Verheißung­en an die eigene Bevölkerun­g: Katalonien behält sein Geld und erhält seinen Stolz zurück. Katalonien trennt sich von Madrid, aber bleibt mit Brüssel verbunden. Dagegen kam mit Fakten irgendwann niemand mehr an – wie zuvor in den USA bei Trumps Verspreche­n und in Großbritan­nien bei Farages’ Versicheru­ngen. Doch Kleinstaat­erei funktionie­rt in einer globalisie­rten Welt nicht, das ist vielen Amerikaner­n, vielen Briten heute klar, und vielen Katalanen nach den vergangene­n Tagen ebenso.

Hätte Puigdemont am Dienstag vor dem Regionalpa­rlament in Barcelona die Unabhängig­keit Katalonien­s verkündet, hätte Rajoy am Mittwoch vor dem Nationalpa­rlament in Madrid die Verhaftung des Katalanen verkündet. Jetzt behält Puigdemont seine persönlich­e Freiheit. Und es steht ihm frei, zurückzutr­eten und Platz für eine wirklich vernünftig­e Regionalre­gierung zu machen.

@ Die Autorin erreichen Sie unter Dosch@infoautor.de

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