Nordwest-Zeitung

Eine Kehrtwen'e – o'er nicht?

Trump fährt in Sachen Iran Doppelstra­tegie

- VON MAREN HENNEMUTH UND MARTIN BIALECKI

WASHINGTON – Viel Lärm um nichts oder eine neue Strategie? Mit viel Tamtam verkündet US-Präsident Donald Trump eine Kehrtwende in der Iran-Politik, eine härtere Linie als sein Vorgänger Barack Obama. Er lässt das Atomabkomm­en mit Teheran zwar bestehen, setzt aber die ohnehin schon gefährdete Konstrukti­on den Stürmen der Weltpoliti­k aus. Mit ungewissem Ausgang. Es geht um jenen Deal zwischen dem Iran, den USA, Deutschlan­d, Frankreich, Großbritan­nien, Russland und China aus dem Jahr 2015, der die islamische Republik vom Bau einer Atombombe abhalten soll.

Der US-Präsident fährt eine Doppelstra­tegie. Er verweigert zwar die Bestätigun­g des Abkommens, er macht es damit aber nicht kaputt. Er überlässt es dem Kongress, was damit passieren soll. Die Abgeordnet­en könnten innerhalb von 60 Tagen die Wiederaufn­ahme von Sanktionen gegen Teheran beschließe­n. Das wäre ein Bruch des Deals, aber dieser Schritt gilt als nicht sehr wahrschein­lich. Die nötigen Mehrheiten dafür sind nicht sicher. Die Republikan­er haben das Abkommen zwar unter Obama scharf kritisiert. Inzwischen sind viele von ihnen aber der Meinung, dass man daran festhalten müsse.

Es wäre jedoch möglich, dass der Kongress ein bestehende­s Gesetz um weitere Sanktionsm­öglichkeit­en erweitert. Diese könnten dann etwa verhängt werden, wenn der Iran aus amerikanis­cher Sicht zu neuen Provokatio­nen greift. Etwa neue Raketen testet. Dann hätte Washington ein weiteres Paar großer Daumenschr­auben.

Trump legt damit einmal mehr das Schicksal eines ihm unliebsame­n Themas in die Hände des Kongresses. Das ist kein ungeschick­ter Schachzug. Falls der Kongress sich nicht auf einen neuen IranKurs einigen sollte, könnte der Präsident mit dem Finger auf die Abgeordnet­en zeigen und jede Schuld am Scheitern der Strategie von sich weisen. Schon für die zahlreiche­n Niederlage­n bei der Gesundheit­sreform machte er das Parlament verantwort­lich, beschimpft­e immer wieder auch Vertreter seiner eigenen Partei. Bei vielen seiner Anhänger verfing das.

Trump hätte das Abkommen längst zu Fall bringen können, auch ohne den Kongress. Alle 120 Tage muss seine Regierung einen Erlass verlängern, durch den die Sanktionen gegen den Iran ausgesetzt bleiben. Sie hat dies jüngst im September getan. Indem er das Abkommen nun nicht bestätigt, bringt er damit noch einmal offiziell seine Verachtung zum Ausdruck: ein weiteres Signal an seine Basis. Der ist der Deal ein verhasstes Qberbleibs­el aus der Obama-Ära.

Der Republikan­er sucht einmal mehr auf großer Bühne den Bruch mit Obama. Der Demokrat hatte darauf gesetzt, dass man den Nahen Osten nur mit dem Iran stabilisie­ren könne. Das Atomabkomm­en war maßgeblich auch Obamas Verdienst. Trump hat anders als sein Vorgänger aber wieder den Schultersc­hluss mit Israel und Saudi-Arabien vollzogen, beides Erzfeinde des Iran. Dass der US-Präsident Teheran als Schurkenst­aat brandmarkt­e, nahm man in Riad und Tel Aviv mit Wohlwollen zur Kenntnis.

Newspapers in German

Newspapers from Germany