Im Bummelzug fast bis nach Panama
Kibum-Schirmherr Janosch sieht in Oldenburg zweite Heimat – Arbeit als Maschinenputzer
Janosch (86) floh nach Kriegsende aus Zabrze (Polen) nach Bad Zwischenahn. In Oldenburg arbeitete er in der 8arpsspinnerei, bis er im Jahr 1949 nach Krefeld umzog.
OLDENBURG/KRAKAU – Was ein rechter Schirmherr ist, der schreibt ein zitierfähiges Grußwort, und zwar eines, das sich die Veranstalter stolz hinter den Spiegel klemmen können: „Oldenburg ist meine zweite Heimat“, behauptet der bekannte Kinderbuchautor, Illustrator und Auflagenmillionär Janosch („Oh, wie schön ist Panama“) im Programmheft der Oldenburger Kinder- und Jugendbuchmesse (Kibum). So etwas liest man gern, aber ob das auch stimmt?
Tatsächlich floh Janosch, 1931 in der oberschlesischen Bergarbeitersiedlung Hindenburg (heute Zabrze, Polen) geboren, nach dem Zweiten Weltkrieg mit seinen Eltern und seinem Bruder im Güterzug nach Bad Zwischenahn (Landkreis Ammerland). Im Jahr 1945, wie es im Grußwort heißt, vielleicht aber auch erst im Juni 1946, wie der Zeitpunkt in anderen Quellen festgelegt wird. Nicht, dass es Janosch egal wäre, „aber er irrt sich oft bei den Daten“, erzählt Angela Bajorek. Und es fehlen viele Dokumente, um seine Aussagen überprüfen zu können.
Die Germanistin am Neuphilologischen Institut der Pädagogischen Universität Krakau kann das gut einschätzen, denn sie hat ihre Habilitationsarbeit über Janosch geschrieben, hat an Originalschauplätzen und in Archiven geforscht. Rund 1000 E-Mails hat sie mit Janosch ausgetauscht und ihn dreimal auf Teneriffa besucht, wo der 86Jährige seit 1980 lebt. 2016 erschien die deutsche Ausgabe ihrer lesenswerten JanoschBiografie „Wer nichts braucht, hat alles“(Ullstein Verlag), die Historische Szene: Warpsspinnerei in Oldenburg (oben und rechts); links Buchumschlag der Biografie
wochenlang auf der Bestsellerliste des „Spiegel“stand.
Im Laufe der Zeit sei Janoschs Leben ein Teil ihres eigenen geworden, sagt sie. Den letzten Mail-Kontakt mit ihm hatte sie Ende Juni. Und die Germanistin vermutet, dass es auch der letzte und ein Abschied war. Wie sie von seinem Agenten erfahren hat, benutzt Janosch seinen Computer nicht mehr. So ist es fraglich, ob ihn die letzte Neuigkeit
aus dem Leben seiner Biografin erreichen wird: Gerade hat die 45-Jährige, die auch eine Janosch-Gesellschaft gegründet hat, für ihre Verdienste rund um sein Werk den „Preis der Präsidentin der Stadt Zabrze“erhalten.
Auf Janoschs Bekenntnis zu Oldenburg angesprochen, schwingt eine leise Skepsis in ihrer Stimme mit. Immerhin behauptet Janosch im selben Atemzug, „Weltbürger“zu
sein. Auf jeden Fall habe Oldenburg eine neue, in die Zukunft gerichtete Etappe seines Lebens markiert, sagt sie. Seine Kindheit und Jugend in Hindenburg dagegen, heißt es in der Biografie, war für ihn eine „grausame Hölle“.
Aber auch die Jahre im Oldenburger Land waren voller Entbehrungen – zwischen Kriegsende und dem Umzug nach Krefeld zur Textilfachschule im Jahr 1949. Der Teenager ohne Abitur und mit abgebrochener Schlosserlehre fand Arbeit als Maschinenreiniger in der Oldenburger Warpsspinnerei in Osternburg, Stedinger Straße 109. Die Hausnummer weiß er noch genau. In Militärschuhen stapfte der magere Junge drei Kilometer durch das Moor zum Bahnhof in Kayhauserfeld, um erst mit dem Bummelzug, dann mit einem Fährkahn zu fahren und schließlich nach weiteren 20 Minuten zu Fuß in der Spinnerei anzukommen.
Zu essen gab es dort nur einen Blechtopf mit Mais, in Janosch-Biografin: die polnische Germanistin Dr. Angela Bajorek Wasser gekocht. Dafür schenkte ihm der Fabrikdirektor ein Paar amerikanische Soldatenschuhe. Und noch eine biografische Randnotiz: Eine kratzige Jacke mit Fischgrätmuster kaufte ihm seine Mutter Hildegard im Oldenburger Bekleidungshaus Bruns.
Als Janosch in der Spinnerei Textilzeichnungen in die Hände fielen, begann er von der Textilschule in Krefeld zu träumen. Was ihm dafür noch fehlte, erhielt er von den Lehrern an der Mittelschule in Augustfehn, die er für ein Jahr besuchte: Sie ließen ihn zur mittleren Reife antreten. Im Sport sei Janosch ja eine Niete gewesen, konnte sich ein Schulkamerad erinnern, „aber zeichnen konnte er toll“.
Heute gibt es dort eine Grundschule mit Tigerente, die seit 2007 als einzige den Namen des Kinderbuchautors tragen darf und der Janosch 2008 einen Besuch abstattete. So ganz falsch ist das Wort von der „zweiten Heimat“vielleicht ja doch nicht.