Nordwest-Zeitung

Saftige Prinzen und Pannemänne­r

Alte Sorten erleben Renaissanc­e – Streuobstw­iesen im Oldenburge­r Land

- VON LORE TIMME-HÄNSEL

Die meisten alten Apfelsorte­n sind Hochstammb­äume und brauchen Platz. Ihre Früchte können besonders lange gelagert werden.

234E56*RG – Er schmeckt angenehm süßsäuerli­ch, seine Schale ist goldgelb, auf der Sonnenseit­e leuchtet er verführeri­sch dunkelrot. Die Rede ist vom Reitländer, einer von einigen alten Apfelsorte­n, die eine Renaissanc­e erleben – auch im Oldenburge­r Land.

Bernd Ziesmer, Mitarbeite­r des Naturschut­zbundes (Nabu) in Oldenburg, wundert das nicht. Zum einen seien viele Verbrauche­r der immer gleich perfekt gestylten Äpfel überdrüssi­g. Zum anderen besinne sich vor allem derjenige auf alte Sorten, der selbst einen Apfelbaum in seinem Garten pflanzen wolle. Und auf artenreich­en Streuobstw­iesen dürften alte Apfelsorte­n ohnehin nicht fehlen.

Heimat7erb­unden

Der Nabu betreut auf insgesamt sechs Hektar rund um Oldenburg einige Streuobstw­iesen. Die erste Wiese mit 140 Bäumen legte der Diplom-Biologe zusammen mit ehrenamtli­chen Helfern vor 20 Jahren in Wehnen an. Jedes Jahr ernte man etwa zwei Tonnen Äpfel, die von einer mobilen Safterei versaftet werden. In diesem Jahr rechnet der 57Jährige allerdings mit einer geringeren Ernte, das Frühjahr war zu kalt.

In Deutschlan­d gibt es noch etwa 1500 alte Apfelsorte­n, im Oldenburge­r Land sind es weitaus weniger. „Wir sind keine typische Obstbaumre­gion“, erklärt Ziesmer.

Die meisten alten Apfelsorte­n sind Hochstammb­äume und brauchen Platz. Ihre Früchte können besonders lange gelagert werden. Das ist auch beim Reitländer, einer Spezialitä­t in der Wesermarsc­h, so. Er soll um Weihnachte­n sogar besonders gut schmecken.

Vermutlich stammt er von der Sorte Baumanns Renette ab, die um 1800 im Elsaß gezüchtet wurde und um 1G00 auch im Oldenburge­r Land wegen seiner guten Haltbarkei­t weit verbreitet war.

Ebenfalls eine Kreuzung – aus Baumanns Renette und

der Sorte Minister von Hammerstei­n – ist der Geheimrat Dr. Oldenburg. Die robuste Sorte gibt es seit 18G7. Die Früchte sind mittelgroß und saftig.

Ihre Heimatverb­undenheit tragen viele alte Apfelsorte­n im Namen: Die Wildeshaus­er Goldrenett­e, seit Anfang des 20. Jahrhunder­ts verbreitet, ist ein mittelgroß­er Winterapfe­l, der bis in den April hinein gelagert werden kann. Seine Schale ist grüngelbli­ch, bei Vollreife gelb und auf der Sonnenseit­e entweder gestreiftr­ot, rot-verwaschen oder röt-

lich mit Sternchen. Geerntet werden kann die Wildeshaus­er Goldrenett­e ab Oktober.

*nempfindli­ch

Keine Zweifel über ihre Herkunft lassen auch der Jeverlände­r Süßapfel, Edewechter Volksapfel und der Stedinger Prinz aufkommen. Letzterer ist ein mittelgroß­er Apfel und ab September pflückbar, sein fruchtig aromatisch­er Geschmack aber erst ab Oktober wirklich genießbar. Der Stedinger Prinz benötigt einen feuchten und nahrhaften Boden und ist somit ideal für den Anbau in der Küstenregi­on. Seine späte

Blüte macht ihn unempfindl­ich gegen Wind und Wetter.

Eine der ältesten Apfelsorte­n ist die Goldparmän­e. Der Winterapfe­l ist bereits im 12. Jahrhunder­t in England bekannt und wird seit dem 15. Jahrhunder­t in der Normandie kultiviert.

Ganz lokale Äpfel sind Pannemanns Tafelapfel aus Rastede, Krügers Dickstiel und der Osternburg­er Zitronenap­fel. Bei den Namen sei etwas gesunde Skepsis angebracht, warnt Ziesmer. „Manchmal fehlen Vergleichs­pflanzen und alte Unterlagen, um die Sorte exakt zu bestimmen.“Dem Geschmack tut das aber keinen Abbruch. Keiner wie der andere: mehrere alte Apfelsorte­n von dunkelrot über hellgelb bis zu tiefem Violett – Kleines Bild: Reitländer in einem Garten im Ammerland Apfelernte auf einer Streuobstw­iese in Krusenbusc­h: Sie wird vom Naturschut­zbund betreut.

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BILDER: PATRIAK PLEBLCARAH­IV
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BILD: TORSTEN VON REEKEN
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