Niedersachsens kurioseste Grenze
Trennlinie zwischen Bremen und Wesermarsch verläuft teilweise im Zickzack-Kurs
Björn Thümler schlägt einen neuen Staatsvertrag vor. Die Nachbarn arbeiten daran.
BRAKE/HANNOVER/BREMEN – Mrüher wurden dafür Kriege geführt. Mindestens schweres Säbelrasseln. Aus friedlichen Nachbarn wären erbitterte Feinde geworden. Heute sorgt der ebenso kuriose wie strittige Grenzverlauf zwischen Bremen und Niedersachsen im Bereich der Wesermarsch höchstens für Schmunzeln.
Denn die Trennlinie verläuft nicht, wie man vermuten würde, in der Weser-Mitte, sondern zum Teil auf der niedersächsischen Uferseite. „Mit witzigen Folgen“, hat der CDU-Landtagsabgeordnete Björn Thümler (Berne) herausgefunden. „Manche Leute wohnen auf Bremer
Gebiet, aber fahren Autos mit Niedersachsen-Kennzeichen – und zahlen auch ihre Steuern bei uns. Gut, dass das die Bremer nicht wissen“, scherzt Thümler. Wissen die Bremer doch. In den Staatskanzleien der beiden Länder liegen längst Pläne für einen neuen Staatsvertrag zwischen Bremen und Niedersachsen. Die Verantwortung für die mäandernde Grenze an der Unterweser liegt bei den Altvorderen. Am 5. Juli 1867 schlossen „Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Oldenburg“(vertreten durch den „Allerhöchsten Ober-Deichgrafen Hans Christoph Peters“) und „Seine Majestät der König von Preußen“(vertreten durch den „Allerhöchsten Geheimen Ober-Bau-Rath FranzFriedrich Alexander Grund“) einen Vertrag. Darin wurde vereinbart, dass nicht eine unveränderliche (stabile) Grenze, sondern eine veränderliche
(labile) gelten soll, die den Änderungen der „Ebbe-Linie“des Flusses folgt. Die Wesergrenze unterliegt daher einer regelmäßigen Veränderung.
Die Folgen, so der studierte Historiker Thümler: „Die Grenze verläuft am Elsflether Sand bis Campingplatz Juliusplate auf niedersächsischer Seite. Der Campingplatz ist zum Teil in Bremen, dann schwenkt es ein wenig, so dass das Hotel und die Fährstelle in Niedersachsen liegen.“Weiter schneidet die Grenze die ehemalige Hegemann Werft. „Der Anleger für die Schiffsausrüstung
liegt in Bremen, der Rest bei uns“, erläutert Thümler. Bei Abeking und Rasmussen rückt der Verlauf ganz eng an die Werft heran, die vollständig in Niedersachsen liegt. Thümler: „Dann bleibt die Grenze auf unserer Seite bis Ochtum, wobei das OchtumSperrwerk in Niedersachsen liegt. Dann wird die Ochtum in Teilen Grenze und in Teilen wieder nicht.“
Dass ein neuer Staatsvertrag für einen sauberen Grenzverlauf her muss, ist für Thümler keine Frage. Auch der CDU-Fraktionschef im
Bremer Rathaus, Thomas Röwekamp, ist für „klare Verhältnisse“statt eines „absurden Verlaufs“. Dass eine Grenze „quer über Grundstücke läuft“macht für den Bremer Politiker keinen Sinn. Mit Bremen könne man über alles reden, betont Röwekamp, der sich schon länger um das Thema kümmert. Einzige Einschränkung: „Eine Neuregelung mit Niedersachsen darf nicht zu unserem Nachteil sein.“Bremen möchte nicht noch kleiner werden.
Und Niedersachsen? „Derzeit erfolgen Abstimmungen der Landesgrenzverläufe mit allen benachbarten Ländern, auch mit Bremen“, bestätigt die Staatskanzlei in Hannover dieser Zeitung. Im Zuge dieser Abstimmungen „wird erwartet, dass für den strittigen Bereich die Abstimmung einer unveränderlichen (stabilen) Grenze zwischen Niedersachsen und Bremen gelingt“, heißt es weiter.
Oder mit den Worten von Staatskanzlei-Chef Jörg Mielke (SPD): „Auch die Grenze ist halt im Fluss...“