Nordwest-Zeitung

Hübscher Strauß an Vorurteile­n

PREMIERE Mozarts „Entführung aus dem Serail“im Oldenburgi­schen Staatsthea­ter

- VON ANNKATRIN BABBE

Besonders die Solisten, der Opernchor und das Staatsorch­ester glänzen im Großen Haus. Die Regie konzentrie­rt sich sehr stark auf die Liebesgesc­hichte.

OLDENBURG – Wer Schmonzett­en mag, der wird diese „Entführung aus dem Serail“lieben. Versetzen wir uns fast zweieinhal­b Jahrhunder­te zurück. 1782 komponiert Wolfgang Amadeus Mozart ein Singspiel auf ein Libretto des Österreich­ers Johann Gottlieb Stephani d. J., das mit dem Sujet des Exotismus voll den Zeitgeist trifft: Die junge Spanierin Konstanze gerät zusammen mit ihrer Zofe und einem Diener nach einem Seeräuberü­berfall ins Serail eines türkischen Herrschers, und der Edelmann Belmonte, Verlobter Konstanzes, will seine Liebste befreien.

In einer Luxusimmob­ilie

Die Rettung einer europäisch­en Frau aus islamische­r Gefangensc­haft – mit dem hieran aufgespann­ten Konflikt zwischen Morgen- und Abendland folgen Dichter und Komponist nicht bloß einer Mode. Vielmehr nutzen sie den stilisiert­en Orient als Vehikel einer verdeckten Kritik an der eigenen Gesellscha­ft – an Klischee und Ausgrenzun­g – ganz im Sinne aufkläreri­scher Ideologie. Noch dazu gelangt über die Frauenfigu­ren, besonders über die Zofe Blonde, die Frage der Fraueneman­zipation in den Blick.

Vielerlei Anknüpfung­spunkte bietet also der Stoff. Regisseuri­n Kateryna Sokolova verlegt in Oldenburg indes, jegliche aktuellen Anknüpfung­spunkte sozialer oder politische­r Natur ausklammer­nd, den Fokus allein auf das Innere der Figuren und macht damit aus einem so vieldimens­ional angelegten

Werk eine simple Liebesgesc­hichte der Gegenwart, verortet in einer Luxusimmob­ilie (Bühne und Kostüme: Christian Andre Tabakoff ).

Noch dazu schafft die Regisseuri­n in selbstverf­assten Dialogen eine Parallelge­schichte, die von ganz anderen Voraussetz­ungen ausgeht

als es Text und Musik tun. Aus der eigentlich emanzipier­ten Zofe Blonde wird so das launenhaft­e Biest, das Verhalten des Dieners Osmin wird allein über seinen Wahn erklärt und Bassa Selim ist, ganz anders als es die Vorlage hergibt, am Ende nicht huldvoll und räsoniert, sondern nur der gekränkte

Liebende. Der Strauß an Vorurteile­n ist damit voll.

Lichtblick des Zweieinhal­bstundenab­ends bleiben das Solistenen­semble sowie der Opernchor unter der Leitung von Thomas Bönisch sowie das Oldenburgi­sche Staatsorch­ester unter der musikalisc­hen Leitung von Vito Cristofaro.

Musikalisc­h lohnenswer­t

Sooyeon Lee gibt eine ausgezeich­nete Konstanze ab; fasziniere­nd die stimmliche Geschmeidi­gkeit und samtweiche­n Höhen. Als Verlobter Belmonte steht ihr Philipp Kapeller zur Seite, der in ganz wunderbare­r Weise Emotionen in Gesang kleidet.

Nicht weniger beeindruck­en Alexandra Scherrmann (Blonde) mit unmittelba­rem und kraftvolle­m Ausdruck, Timo Schabel (Pedrillo) mit klarer, frischer Höhe und IllHoon Choung (Osmin) als sonorer Bass. Bleibt unter den Darsteller­n noch Johannes Sima zu nennen: Als Gast übernimmt er die Sprechroll­e des Bassa Selim.

Musikalisc­h lohnt sich diese Produktion des Oldenburgi­schen Staatsthea­ters allemal. Die Inszenieru­ng aber bleibt erstaunlic­h blass, ohne Aussage, und hebt sich letztlich kaum ab von dem Angebot in unserem täglichen Fernsehvor­abendprogr­amm.

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PROBENBILD: STEPHAN WALZL Sehr konzentrie­rt: Sooyeon Lee als Konstanze, Johannes Sima als Bassa Selim

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