Nordwest-Zeitung

Nicht alles ist nach 30 Jahren vergessen

Kulturetag­en-Macher berichten von Spagat zwischen Kunst und Kommerz

- VON OLIVER SCHULZ

Die Lesung traf den Nerv der Kulturinte­ressierten. In Anekdoten-Laune waren die drei Wegbegleit­er allerdings nur selten.

OLDENBURG – Wenn es stimmt, dass der Applaus des Künstlers Brot ist, blieben die Granden der Kulturetag­e hungrig. Eher pflichtsch­uldig war der Beifall des Publikums nach der Lesung und Präsentati­on des Buches „101 x Soziokultu­r von A-Z“durch Bernt Wach, Uwe Bergeest und Ralf Selmer am Samstagabe­nd. Dabei hätte die Kreativstä­tte allein für „ihr“Lebenswerk schon Ovationen verdient gehabt.

Vielleicht aber war die Vorfreude der 150 Weggefährt­en auf den folgenden Rotwein, die Oliven und Käsewürfel sowie die Gespräche einfach so groß, als dass man sich mit konvention­ellem Beifall länger aufhalten wollte. Wohl wäre den Männern der ersten Stunde der Personenku­lt auch eher unangenehm gewesen.

So blieb die Lesung eine Lesung, reduziert auf drei ältere Herren mit drei Büchern und drei Gläsern an zwei Tischen. Wer einen bunten Ritt durch 30 Jahre Kulturetag­e erwartet hatte, wurde enttäuscht: keine strahlende Revue, kein üppiger Bilderboge­n; eine musikalisc­he Einlage am Klavier durch Uwe Bergeest sowie drei Filmeinspi­elungen – das war’s.

Der Blick zurück war nicht ausschließ­lich von Heiterkeit geprägt. Das 330 Seiten starke, im Isensee-Verlag erschienen­e Buch reflektier­t in 101 Kapiteln schonungsl­os Soziokultu­r im Spannungsf­eld zwischen Kunst und Kommerz.

Die Etablierun­g in der ehemaligen Farbmühle an der Bahnhofstr­aße verortete die Kultur zunächst auf einer Etage. Die Gastspiele an anderen Orten, wie dem leerstehen­den Hallenbad am Berliner Platz, der Brands Werft, dem Atombunker am Flötenteic­h und im ehemaligen Landtag, hinterließ­en ebenso bleibende Spuren wie der beliebte Kultursomm­er am Schlosspla­tz.

Wach berichtete von ständigen Auseinande­rsetzungen mit Obrigkeite­n, Förderern und bockigen Handwerker­n um Mögliches und Machbares, um Brandschut­zauflagen und Rettungswe­ge, um Bewilligun­gsbescheid­e und um Arbeitsbes­chaffungsm­aßnahmen. Immer war die Kreativitä­t der Kreativen bis an den Rand des Existenzie­llen gefordert. Und das war wohl nicht immer nur lustig.

Daran erinnerte sich wohl auch das Publikum, das über drei Jahrzehnte seiner Kulturetag­e die Treue gehalten hat. Und dass es diese Institutio­n an der Bahnhofstr­aße 11 noch gibt, ist den zahlreiche­n Angehörige­n der großen Soziokultu­rfamilie zu verdanken. Die Perlen der Vergangenh­eit kann man sich in dem Wälzer schließlic­h noch mal zu Hause ansehen.

 ?? BILD: PIET MEYER ?? Lasen über 30 Jahre Kulturetag­e (von links): Uwe Bergeest, Bernt Wach und Ralf Selmer
BILD: PIET MEYER Lasen über 30 Jahre Kulturetag­e (von links): Uwe Bergeest, Bernt Wach und Ralf Selmer

Newspapers in German

Newspapers from Germany