Nicht alles ist nach 30 Jahren vergessen
Kulturetagen-Macher berichten von Spagat zwischen Kunst und Kommerz
Die Lesung traf den Nerv der Kulturinteressierten. In Anekdoten-Laune waren die drei Wegbegleiter allerdings nur selten.
OLDENBURG – Wenn es stimmt, dass der Applaus des Künstlers Brot ist, blieben die Granden der Kulturetage hungrig. Eher pflichtschuldig war der Beifall des Publikums nach der Lesung und Präsentation des Buches „101 x Soziokultur von A-Z“durch Bernt Wach, Uwe Bergeest und Ralf Selmer am Samstagabend. Dabei hätte die Kreativstätte allein für „ihr“Lebenswerk schon Ovationen verdient gehabt.
Vielleicht aber war die Vorfreude der 150 Weggefährten auf den folgenden Rotwein, die Oliven und Käsewürfel sowie die Gespräche einfach so groß, als dass man sich mit konventionellem Beifall länger aufhalten wollte. Wohl wäre den Männern der ersten Stunde der Personenkult auch eher unangenehm gewesen.
So blieb die Lesung eine Lesung, reduziert auf drei ältere Herren mit drei Büchern und drei Gläsern an zwei Tischen. Wer einen bunten Ritt durch 30 Jahre Kulturetage erwartet hatte, wurde enttäuscht: keine strahlende Revue, kein üppiger Bilderbogen; eine musikalische Einlage am Klavier durch Uwe Bergeest sowie drei Filmeinspielungen – das war’s.
Der Blick zurück war nicht ausschließlich von Heiterkeit geprägt. Das 330 Seiten starke, im Isensee-Verlag erschienene Buch reflektiert in 101 Kapiteln schonungslos Soziokultur im Spannungsfeld zwischen Kunst und Kommerz.
Die Etablierung in der ehemaligen Farbmühle an der Bahnhofstraße verortete die Kultur zunächst auf einer Etage. Die Gastspiele an anderen Orten, wie dem leerstehenden Hallenbad am Berliner Platz, der Brands Werft, dem Atombunker am Flötenteich und im ehemaligen Landtag, hinterließen ebenso bleibende Spuren wie der beliebte Kultursommer am Schlossplatz.
Wach berichtete von ständigen Auseinandersetzungen mit Obrigkeiten, Förderern und bockigen Handwerkern um Mögliches und Machbares, um Brandschutzauflagen und Rettungswege, um Bewilligungsbescheide und um Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Immer war die Kreativität der Kreativen bis an den Rand des Existenziellen gefordert. Und das war wohl nicht immer nur lustig.
Daran erinnerte sich wohl auch das Publikum, das über drei Jahrzehnte seiner Kulturetage die Treue gehalten hat. Und dass es diese Institution an der Bahnhofstraße 11 noch gibt, ist den zahlreichen Angehörigen der großen Soziokulturfamilie zu verdanken. Die Perlen der Vergangenheit kann man sich in dem Wälzer schließlich noch mal zu Hause ansehen.