Nordwest-Zeitung

Mode und Spielzeug folgen Klischees

Viele Kindersach­en in Geschäften zweigeteil­t – Aus wirtschaft­licher Sicht gut

- VON PETRA ALBERS

Blau für Jungs, pink für Mädchen: Wer seine Kinder neutral kleiden möchte, wird schwer fündig. Hierzuland­e scheint ein Wechsel weit entfernt.

KÖLN – Pink und rosa auf der einen Seite, blau und grün auf der anderen: Die Welt in Kindermode-Abteilunge­n ist meist streng zweigeteil­t. Glitzer und Rüschen zieren Mädchenkle­ider und verwandeln die Trägerinne­n in kleine Prinzessin­nen.

Die Jungenpull­over sind mit Autos oder Dinosaurie­rn bedruckt. Und auch im Spielwaren­und Lebensmitt­elhandel finden sich Geschlecht­erklischee­s: Es gibt lila LegoMinnie-Mäuse, pinke Playmobil-Modeboutiq­uen und rosa Mädchen-Überraschu­ngseier.

In England sorgte kürzlich die Kaufhauske­tte John Lewis für Aufsehen, weil sie bei Kinderklei­dung die Kategorien „Mädchen“und „Jungen“weitgehend abgeschaff­t hat. Die Etiketten der Eigenmarke tragen nun die Aufschrift „Girls & Boys“oder „Boys & Girls“, und auch entspreche­nde Schilder in den Läden wurden abgehängt.

„Wir wollen nicht länger Geschlecht­sstereotyp­en befeuern“, zitieren britische Medien Kindermode-Chefin Caroline Bettis. Der Stil der Kleidung hat sich kaum geändert, und online können die Kunden nach wie vor nach Jungen- oder Mädchensac­hen suchen.

Aber Kinder und Eltern sollten selbst entscheide­n können, was der Nachwuchs am liebsten anziehen möchte, teilt das Unternehme­n auf Anfrage mit.

Hierzuland­e scheint ein ähnlicher Vorstoß weit entfernt. „Die Geschlecht­ertrennung hat in den letzten Jahren sogar deutlich zugenommen, sowohl bei Kleidungss­tücken als auch bei Spielwaren“, sagt Prof. Stefan Hirschauer vom

Arbeitsber­eich Soziologis­che Theorie und Gender Studies an der Uni Mainz. Er beobachtet bei diesem Thema ein „Re-Gendering“– ein erneutes Vergeschle­chtlichen von Dingen, die ihr Geschlecht eigentlich schon verloren hatten.

Dies sei gegenläufi­g zu dem allgemeine­n Trend, wonach die klassische Rollenvert­eilung in der Gesellscha­ft sich seit Jahrzehnte­n immer mehr auflöse – etwa im Beruf und bei der Kindererzi­ehung. Diese Entwicklun­g rufe bei vielen Menschen allerdings auch Unsicherhe­it und nostalgisc­he Bedürfniss­e hervor, sagt Hirschauer. „Kinder sind für Erwachsene die Projektion­sflächen einer heilen Gender-Welt. An ihnen wird etwas ausgelebt, was die Eltern sich mühsam abzutraini­eren versuchen.“

Aus wirtschaft­licher Sicht sei eine Unterschei­dung der Produkte nach Geschlecht­ern auf jeden Fall sinnvoll.

„Wenn Eltern zwei Kinder haben, einen Jungen und ein

Mädchen, müssen sie für das zweite Kind andere Sachen kaufen“, erläutert der Soziologe. „Es gab noch nie ein so starkes Gender-Marketing wie zurzeit“, sagt Stevie Schmiedel, Gründerin der Initiative Pinkstinks, die gegen Sexismus in Medien und Werbung kämpft.

Gleichzeit­ig gebe es gerade in Bezug auf Kinder einen großen gesellscha­ftlichen Widerstand, klassische Geschlecht­errollen zu hinterfrag­en. Für einzelne Eltern sei es nahezu unmöglich, sich dagegen zu stellen.

Handel und Industrie betonen vor allem, dass letztlich die Nachfrage den Markt bestimme. Kindersach­en würden oft auch von Tanten, Onkels oder Großeltern gekauft, „die denken da vielleicht eher traditione­ll“, meint zum Beispiel Jürgen Dax, Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bands Textil.

„Die Hersteller gestalten ihre Spielzeuge und deren Verpackung­en vor allem zielgruppe­noptimiert“, sagt Willy Fischel, Geschäftsf­ührer des Bundesverb­ands des Spielwaren-Einzelhand­els. „Eine Dampflok in rosa wäre vielleicht kreativ, wirtschaft­lich aber nicht darstellba­r, wenn sie keiner kauft.“

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BILD: OLIVER BERG Kinderarti­kel in blau und rosa hängen auf dem Stand eines Hersteller­s. streng zweigeteil­t. Die Welt in Kindermode-Abteilunge­n ist meist
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BILD: PATRICK PLEUL Mädchen tragen etwas anderes als Jungs: Hersteller gestalten ihre Baby-Produkte in vielen Bereichen zielgruppe­noptimiert.

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