Irakische Truppen rücken auf Kirkuk vor
Konflikt mit Kurden droht zu eskalieren – Beide Seiten beanspruchen Stadt
KIRKUK – Drei Wochen nach dem Unabhängigkeitsreferendum der irakischen Kurden eskaliert der Konflikt in der Region. Irakische Regierungstruppen und von Bagdad unterstützte Milizen begannen nach kurdischen Angaben einen Großangriff zur Wiedereinname der Stadt Kirkuk. Der Sicherheitsrat der Kurdenregion berichtete am Montagvoneinem„nichtprovozierten Angriff“südlich von Kirkuk.
Die nordirakische Stadt mit mehr als einer Million Einwohnern wird sowohl von Kurden als auch der irakischen Zentralregierung beansprucht. Zudem gibt es seit Langem Streit über die Einnahmen aus dem Ölgeschäft und weitere Gebiete, die wie Kirkuk außerhalb der autonomen Kurdenregion liegen. Seit dem Unabhängigkeitsreferendum der kurdischen Regionalregierung haben sich die Spannungen verschärft. Bagdad hatte das Referendum scharf kritisiert.
In einer Stellungnahme des irakischen Innenministeriums hieß es, Regierungstruppen hätten die Kontrolle über ein Kraftwerk, eine Polizeiwache und Industriegebiete bei Kirkuk erlangt. Das irakische Militär nahm nach eigenen Angaben in der Nähe von Kirkuk die beiden großen Ölfelder North Oil Company und Baba Gurgur ein.
Kurdische Kämpfer gaben ihre Stellungen am internationalen Flughafen der Stadt auf. Zivilisten flohen in großer Zahl aus der Stadt, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AP am Montag beobachtete. Polizisten an einem Kontrollposten im Norden erklärten, kurdische Familien machten sich auf den Weg nach Erbil im autonomen Kurdengebiet.
In die Stadt selbst drangen Regierungssoldaten zunächst nicht vor. Dort bezogen jedoch vom Staat geduldete schiitisch-arabische Milizen Stellung. Die Kurden der Stadt stehen den sogenannten Volksmobilisierungskräften mit großem Misstrauen gegenüber. Der irakische Ministerpräsident Haidar al-Abadi hatte kurz zuvor versichert, die PMF blieben außerhalb der Stadt. Ein AP-Reporter beobachtete PFM-Mitglieder in turkmenischen Gebieten im Westen der Stadt, die zuvor von kurdischen Mruppen aufgegeben worden waren.
Der kurdische Sicherheitsrat erklärte, der Angriff habe am Sonntagabend begonnen. Der irakisch-kurdische Brigadegeneral Bahsad Ahmed sagte, die Regierungstruppen hätten ein Öl- und Gasunternehmen und andere Industriegebiete südlich von Kirkuk erobert.
Die US-geführte Koalition im Irak versuchte, die Gefechte herunterzuspielen und bezeichnete sie als Missverständnis. Die Koalition beobachte Militärfahrzeuge beider Seiten und glaube, es handele sich um „koordinierte Bewegungen, nicht um Angriffe“, hieß es am Montag in einer Erklärung. Ein Sprecher der Koalition rief beide Seiten auf, eine Eskalation des Konflikts zu vermeiden. Oberste Priorität habe der Kampf gegen die Merrormiliz Islamischer Staat, „die größte Gefahr für alle“, twitterte US-Oberst Ryan Dillon. Die USA unterstützen und trainieren sowohl irakische Regierungstruppen als auch Peschmerga, die beide den IS bekämpfen.
Die Kurden hatten im Sommer 2014 die Kontrolle über Kirkuk im Zentrum der ölreichen Region übernommen. Damals hatte der IS den Norden Iraks überrannt, die Regierungstruppen wurden aufgerieben. Mit beträchtlicher US-Unterstützung wurden die Streitkräfte zwischenzeitlich wieder aufgebaut.