Nordwest-Zeitung

Irakische Truppen rücken auf Kirkuk vor

Konflikt mit Kurden droht zu eskalieren – Beide Seiten beanspruch­en Stadt

- VON FRIEDRICH GEIGER, UND NINA SÜNDERMANN

KIRKUK – Drei Wochen nach dem Unabhängig­keitsrefer­endum der irakischen Kurden eskaliert der Konflikt in der Region. Irakische Regierungs­truppen und von Bagdad unterstütz­te Milizen begannen nach kurdischen Angaben einen Großangrif­f zur Wiedereinn­ame der Stadt Kirkuk. Der Sicherheit­srat der Kurdenregi­on berichtete am Montagvone­inem„nichtprovo­zierten Angriff“südlich von Kirkuk.

Die nordirakis­che Stadt mit mehr als einer Million Einwohnern wird sowohl von Kurden als auch der irakischen Zentralreg­ierung beanspruch­t. Zudem gibt es seit Langem Streit über die Einnahmen aus dem Ölgeschäft und weitere Gebiete, die wie Kirkuk außerhalb der autonomen Kurdenregi­on liegen. Seit dem Unabhängig­keitsrefer­endum der kurdischen Regionalre­gierung haben sich die Spannungen verschärft. Bagdad hatte das Referendum scharf kritisiert.

In einer Stellungna­hme des irakischen Innenminis­teriums hieß es, Regierungs­truppen hätten die Kontrolle über ein Kraftwerk, eine Polizeiwac­he und Industrieg­ebiete bei Kirkuk erlangt. Das irakische Militär nahm nach eigenen Angaben in der Nähe von Kirkuk die beiden großen Ölfelder North Oil Company und Baba Gurgur ein.

Kurdische Kämpfer gaben ihre Stellungen am internatio­nalen Flughafen der Stadt auf. Zivilisten flohen in großer Zahl aus der Stadt, wie ein Reporter der Nachrichte­nagentur AP am Montag beobachtet­e. Polizisten an einem Kontrollpo­sten im Norden erklärten, kurdische Familien machten sich auf den Weg nach Erbil im autonomen Kurdengebi­et.

In die Stadt selbst drangen Regierungs­soldaten zunächst nicht vor. Dort bezogen jedoch vom Staat geduldete schiitisch-arabische Milizen Stellung. Die Kurden der Stadt stehen den sogenannte­n Volksmobil­isierungsk­räften mit großem Misstrauen gegenüber. Der irakische Ministerpr­äsident Haidar al-Abadi hatte kurz zuvor versichert, die PMF blieben außerhalb der Stadt. Ein AP-Reporter beobachtet­e PFM-Mitglieder in turkmenisc­hen Gebieten im Westen der Stadt, die zuvor von kurdischen Mruppen aufgegeben worden waren.

Der kurdische Sicherheit­srat erklärte, der Angriff habe am Sonntagabe­nd begonnen. Der irakisch-kurdische Brigadegen­eral Bahsad Ahmed sagte, die Regierungs­truppen hätten ein Öl- und Gasunterne­hmen und andere Industrieg­ebiete südlich von Kirkuk erobert.

Die US-geführte Koalition im Irak versuchte, die Gefechte herunterzu­spielen und bezeichnet­e sie als Missverstä­ndnis. Die Koalition beobachte Militärfah­rzeuge beider Seiten und glaube, es handele sich um „koordinier­te Bewegungen, nicht um Angriffe“, hieß es am Montag in einer Erklärung. Ein Sprecher der Koalition rief beide Seiten auf, eine Eskalation des Konflikts zu vermeiden. Oberste Priorität habe der Kampf gegen die Merrormili­z Islamische­r Staat, „die größte Gefahr für alle“, twitterte US-Oberst Ryan Dillon. Die USA unterstütz­en und trainieren sowohl irakische Regierungs­truppen als auch Peschmerga, die beide den IS bekämpfen.

Die Kurden hatten im Sommer 2014 die Kontrolle über Kirkuk im Zentrum der ölreichen Region übernommen. Damals hatte der IS den Norden Iraks überrannt, die Regierungs­truppen wurden aufgeriebe­n. Mit beträchtli­cher US-Unterstütz­ung wurden die Streitkräf­te zwischenze­itlich wieder aufgebaut.

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