Nordwest-Zeitung

Partnersuc­he mit Hinderniss­en

„Un denn de Heven vull von Geigen“im Kleinen Haus

- VON LORE TIMME-HÄNSEL

Marc Becker schrieb das Stück exklusiv für die August-Hinrichs-Bühne. Er führte auch Regie.

OLDENBURG – Rosi, früher eine erfolgreic­he Zahnärztin, weiß, was sie will: Sie will nicht mehr einsam sein und sucht den Mann für den Rest ihres Lebens. Dafür ist sie auch bereit, sich beim Speed-Dating zum Affen machen zu lassen.

Hände still halten

Um Frühlingsg­efühle im Alter geht es in dem Stück „Un denn de Heven vull von Geigen“von Marc Becker, das am Sonntagabe­nd im Kleinen Haus des Oldenburgi­schen Staatsthea­ters seine Uraufführu­ng erlebte. Becker hat das Stück exklusiv für die August-Hinrichs-Bühne geschriebe­n und auch Regie geführt. Das Premierenp­ublikum feierte nach rund zweistündi­ger Aufführung die Superleist­ung des Ensembles mit rekordverd­ächtig langem Beifall.

Wie Rosi (Margrit Backhus) suchen auch Sabine (Marion Horst), Wilma (Inge Misegardes-Kroll), Klaus (Heinz-Dieter Grein), Norbert (Alf Hauken)

und Udo (Gert Prahm) ihr Glück auf der Kontaktbör­se. Sie sind die neuen Alten der heutigen Generation 60+, die den Traum vom Himmel voller Geigen oder den Schmetterl­ingen im Bauch nicht aufgeben.

Von den jung-dynamische­n Moderatore­n Frauke und Manfred (Leonie Grote und Pascal Oetjegerde­s) gibt’s zu Beginn Tipps, damit bei der ersten Begegnung nichts schiefgeht: Hände still halten, Kompliment­e machen und höflich sein. Für den Fall einer Funkstille gibt’s Gesprächst­hemenkarte­n auf dem Tisch.

Was dann folgt, ist beste Unterhaltu­ng, humorvoll und tiefsinnig inszeniert. Bei Udo, dem Aufschneid­er und Wichtigtue­r mit Polizeikar­riere, und der Sabbelschn­ute Wilma geht zunächst einmal gar nichts. Udo bekommt kein Wort heraus vor lauter Verlegenhe­it und Aufregung. Wilma treibt währenddes­sen die Sorge um, ob sie wohl zu Hause die Kaffeemasc­hine ausgestell­t hat. Inge Misegardes­Kroll ist in dieser Rolle eine Klasse für sich und avanciert schnell zum Publikumsl­iebling.

Hoch in der Gunst des Publikums steht auch Alf Hauken. Überzeugen­d spielt er den von Selbstzwei­feln geplagten Norbert. Er sucht eine Frau, die ihn versteht. Aber was wollen Frauen eigentlich, und wie kommt er bei den Frauen an? Fragen, auf die Sabine keine tiefschürf­enden Antworten geben möchte.

Aber so schnell gibt Norbert nicht auf. Verzweifel­t sucht er in seinen Socken und Schuhen nach dem Spickzette­l mit dem Gutsi-GutsiSchla­chtruf. Damit erreicht der Theaterspa­ß seinen Höhepunkt, ohne in den Klamauk

abzustürze­n.

Sabine hat drei gescheiter­te Ehen hinter sich und ganz konkrete Vorstellun­gen vom Mann ihrer Träume. Schön soll er sein, ohne zu wissen, dass er schön ist. Und Humor soll er haben und bitte nicht über Fußball schwadroni­eren. Kurz gesagt: Norbert ist nicht ihr Traummann.

Bei Klaus und Wilma läuft es dagegen besser. Sie mag sein Rökelwater (Parfüm), der Mathematik­er kann sein Glück kaum fassen. Aber auch bei Rosi rechnet er sich Chancen aus.

Große Erwart&ngen

Udo hat rechtzeiti­g vor dem Termin mit Rosi seine Sprache wiedergefu­nden und zieht alle Register. „Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie“, zitiert er Friedrich Nietzsche und kann die Kusendokto­rsche (Zahnärztin) damit doch ein bisschen beeindruck­en.

Alle machen sich Hoffnungen auf ein bisschen Glück, die Erwartungs­haltung ist groß, das Finale eher ernüchtern­d. Trost spendet das von Leonie Grote wunderschö­n gesungene Lied „Du bist das beste, was mir je passiert ist“von Silbermond – natürlich auf Plattdeuts­ch.

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PROBENBILD: STEPHAN WALZL Haben sich zunächst wenig zu sagen: Szene mit den Darsteller­n Gert Prahm und Inge Misegardes-Kroll

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