Nordwest-Zeitung

Kindheit am alten Verschiebe­bahnhof

Peter Schwettman­n (70) wuchs neben den Gleisen auf – Berufliche Karriere bei der Bahn

- VON THOMAS HUSMANN

Blick auf den zweiten Ablaufberg des ehemaligen Verschiebe­bahnhofs in Krusenbusc­h Richtung Stadtmitte im Juni 1955: In der Mitte sind der Wasserturm und der Lokschuppe­n zu sehen, in denen die Dampflokom­otiven standen – rechts im Bild die Häuser „Am Schmeel“.

Rund um die Uhr wurden die Güterzüge zusammenge­stellt. Der Job erforderte Maßarbeit.

OLDENBURG – Wie bestellt: Als Peter Schwettman­n auf der Fußgängerb­rücke, die Krusenbusc­h mit Bümmersted­e verbindet, steht, donnert ein Güterzug mit Kesselwagg­ons Richtung Osnabrück über die Gleise. Fast wie damals, erinnert sich der 70-Jährige, als auf der noch zweigleisi­g ausgebaute­n Strecke allerdings deutlich mehr los war als heute.

Schwettman­n wurde 1947 geboren und ist am Beentweg aufgewachs­en. Neben der Strecke nach Osnabrück befand sich der Oldenburge­r Verschiebe­bahnhof. Hunderte Waggons wurden dort Tag für Tag rund um die Uhr rangiert,

erinnert er sich. Für die Kinder waren das Bahngeländ­e und die Wiesen und Felder ein Spielparad­ies. „Gern stellten wir uns auf die Holzbrücke, die über die Gleise des Verschiebe­bahnhofs führten, und ließen uns vom Dampf der Lokomotive­n einnebeln. Ein Heidenspaß war das“, erzählt Schwettman­n. Die Holzbrücke wurde später durch die wesentlich längere Stahlbeton­konstrukti­on ersetzt, die auch schon wieder abgängig ist. Die Holzbrücke war nur wenige Meter lang. Der Weg zur Straße Am Schmeel schlängelt­e sich dann über die Wiesen und endete am Bahnüberga­ng neben dem ehemaligen Krusenbusc­her Bahnhof. Schwettman­n räumt mit dem Missverstä­ndnis auf, dass sich dieser Bahnhof an der Bahnhofsal­lee befand. Tatsächlic­h steht dort, wo die Bahnhofsal­lee in die Bümmersted­er Tredde im rechten

Winkel abbiegt, das ehemalige Verwaltung­sgebäude des Rangierbah­nhofs.

Der Lebensweg von Peter Schwettman­n war vorgezeich­net. Sein Vater Hermann, Jahrgang 1913, arbeitete in der Signalwerk­statt. Daneben durften die Bahnmitarb­eiter Land bewirtscha­ften. Schwettman­n: „Wir pflanzten Kartoffeln an und ernteten sie säckeweise.“Die Kinder trugen auch auf andere Weise zum Unterhalt der Familie bei. „Wir stahlen Kohle aus einem Lagerschup­pen, die eigentlich fürs Anfeuern der Dampflokom­otiven gedacht war. Aber wer tat das nicht in den schweren Jahren“, fragt er. „Wir Kinder genossen alle Freiheiten der Welt.“Bloß erwischen lassen durfte man sich nicht.

Irgendwie logisch, dass der Berufsweg zwangsläuf­ig, trotz einer zwischenze­itlichen Tischlerle­hre und einem Einsatz

bei August Cassens sowie einem Zwischenst­opp in der Glashütte zur Bahn führen musste. Sein Vater vermittelt­e ihm schließlic­h im Jahr 1973 einen Job als Klemmschuh­leger auf dem Verschiebe­bahnhof. In drei Schichten wurde rund um die Uhr gearbeitet, auch am Sonntagmor­gen. Die Arbeit auf der Glashütte, die später schloss, war immer weniger geworden.

Schwettman­n schlug bei der Bahn die Beamtenlau­fbahn ein, wurde nach der Schließung des Verschiebe­bahnhofs Schrankenw­ärter am Bahnüberga­ng Am Strehl in Ofenerdiek, und schließlic­h Lokrangier­führer. Haupteinsa­tzort war Sande im Landkreis Friesland.

2005 ist Schwettman­n pensionier­t worden. An die Zeit auf dem Rangierbah­nhof erinnert er sich gern. Es gab zwei sogenannte Ablaufberg­e und rund 16 Gleise. Die Zugbildung

und das Bremsefahr­en waren eine echte Herausford­erung. Bremsefahr­en bedeutete, dass ein Mann die Waggons mittels Handbremse gefühlvoll so steuern musste, dass sie ihr Ziel, also den Zug genau erreichten. Da durfte nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig gebremst werden. Die Waggons erreichten den Zug ansonsten nicht oder prallten mit viel zu hoher Geschwindi­gkeit auf. Schwettman­n: „Dann gab’s Ärger.“

Alles Vergangenh­eit: Heute hat sich die Natur das Gelände des ehemaligen Verschiebb­ahnhofs zurückgeho­lt, Teile wurden unter Schutz gestellt. Im Verwaltung­sgebäude des Rangierbah­nhofs befinden sich Mietwohnun­gen. Und dort, wo der alte Krusenbusc­her Bahnhof in Höhe der Einmündung der Tweelbäker Tredde in die Straße Am Schmeel stand, wachsen hohe Pappeln.

 ?? BILD: OLDENBURGE­R MEDIENARCH­IV/WERKSTATTF­ILM ??
BILD: OLDENBURGE­R MEDIENARCH­IV/WERKSTATTF­ILM

Newspapers in German

Newspapers from Germany