Kindheit am alten Verschiebebahnhof
Peter Schwettmann (70) wuchs neben den Gleisen auf – Berufliche Karriere bei der Bahn
Blick auf den zweiten Ablaufberg des ehemaligen Verschiebebahnhofs in Krusenbusch Richtung Stadtmitte im Juni 1955: In der Mitte sind der Wasserturm und der Lokschuppen zu sehen, in denen die Dampflokomotiven standen – rechts im Bild die Häuser „Am Schmeel“.
Rund um die Uhr wurden die Güterzüge zusammengestellt. Der Job erforderte Maßarbeit.
OLDENBURG – Wie bestellt: Als Peter Schwettmann auf der Fußgängerbrücke, die Krusenbusch mit Bümmerstede verbindet, steht, donnert ein Güterzug mit Kesselwaggons Richtung Osnabrück über die Gleise. Fast wie damals, erinnert sich der 70-Jährige, als auf der noch zweigleisig ausgebauten Strecke allerdings deutlich mehr los war als heute.
Schwettmann wurde 1947 geboren und ist am Beentweg aufgewachsen. Neben der Strecke nach Osnabrück befand sich der Oldenburger Verschiebebahnhof. Hunderte Waggons wurden dort Tag für Tag rund um die Uhr rangiert,
erinnert er sich. Für die Kinder waren das Bahngelände und die Wiesen und Felder ein Spielparadies. „Gern stellten wir uns auf die Holzbrücke, die über die Gleise des Verschiebebahnhofs führten, und ließen uns vom Dampf der Lokomotiven einnebeln. Ein Heidenspaß war das“, erzählt Schwettmann. Die Holzbrücke wurde später durch die wesentlich längere Stahlbetonkonstruktion ersetzt, die auch schon wieder abgängig ist. Die Holzbrücke war nur wenige Meter lang. Der Weg zur Straße Am Schmeel schlängelte sich dann über die Wiesen und endete am Bahnübergang neben dem ehemaligen Krusenbuscher Bahnhof. Schwettmann räumt mit dem Missverständnis auf, dass sich dieser Bahnhof an der Bahnhofsallee befand. Tatsächlich steht dort, wo die Bahnhofsallee in die Bümmersteder Tredde im rechten
Winkel abbiegt, das ehemalige Verwaltungsgebäude des Rangierbahnhofs.
Der Lebensweg von Peter Schwettmann war vorgezeichnet. Sein Vater Hermann, Jahrgang 1913, arbeitete in der Signalwerkstatt. Daneben durften die Bahnmitarbeiter Land bewirtschaften. Schwettmann: „Wir pflanzten Kartoffeln an und ernteten sie säckeweise.“Die Kinder trugen auch auf andere Weise zum Unterhalt der Familie bei. „Wir stahlen Kohle aus einem Lagerschuppen, die eigentlich fürs Anfeuern der Dampflokomotiven gedacht war. Aber wer tat das nicht in den schweren Jahren“, fragt er. „Wir Kinder genossen alle Freiheiten der Welt.“Bloß erwischen lassen durfte man sich nicht.
Irgendwie logisch, dass der Berufsweg zwangsläufig, trotz einer zwischenzeitlichen Tischlerlehre und einem Einsatz
bei August Cassens sowie einem Zwischenstopp in der Glashütte zur Bahn führen musste. Sein Vater vermittelte ihm schließlich im Jahr 1973 einen Job als Klemmschuhleger auf dem Verschiebebahnhof. In drei Schichten wurde rund um die Uhr gearbeitet, auch am Sonntagmorgen. Die Arbeit auf der Glashütte, die später schloss, war immer weniger geworden.
Schwettmann schlug bei der Bahn die Beamtenlaufbahn ein, wurde nach der Schließung des Verschiebebahnhofs Schrankenwärter am Bahnübergang Am Strehl in Ofenerdiek, und schließlich Lokrangierführer. Haupteinsatzort war Sande im Landkreis Friesland.
2005 ist Schwettmann pensioniert worden. An die Zeit auf dem Rangierbahnhof erinnert er sich gern. Es gab zwei sogenannte Ablaufberge und rund 16 Gleise. Die Zugbildung
und das Bremsefahren waren eine echte Herausforderung. Bremsefahren bedeutete, dass ein Mann die Waggons mittels Handbremse gefühlvoll so steuern musste, dass sie ihr Ziel, also den Zug genau erreichten. Da durfte nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig gebremst werden. Die Waggons erreichten den Zug ansonsten nicht oder prallten mit viel zu hoher Geschwindigkeit auf. Schwettmann: „Dann gab’s Ärger.“
Alles Vergangenheit: Heute hat sich die Natur das Gelände des ehemaligen Verschiebbahnhofs zurückgeholt, Teile wurden unter Schutz gestellt. Im Verwaltungsgebäude des Rangierbahnhofs befinden sich Mietwohnungen. Und dort, wo der alte Krusenbuscher Bahnhof in Höhe der Einmündung der Tweelbäker Tredde in die Straße Am Schmeel stand, wachsen hohe Pappeln.