Ganztagsversorgung vergleichsweise gut
Hälfte der Schüler im Land nachmittags betreut – Hamburg Spitzenreiter
HANNOVER/BREMEN – Bei dem Ausbau von Ganztagsschulen steht Niedersachsen einer Studie zufolge vergleichsweise gut da. Im Schuljahr 2015/16 lag die Ganztagsversorgung dort bei 49 Prozent, Bremen erreichte eine Versorgung von rund 38 Prozent, heißt es in der am Dienstag veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung. Der Bundesschnitt liegt bei rund 39 Prozent. Spitzenreiter ist Hamburg mit einer Ganztagsversorgung von 91,5 Prozent, gefolgt von Sachsen (77,5 Prozent), Berlin (65,8 Prozent) und Thüringen (51,5 Prozent).
Bundesweit hat der Ausbau allerdings an Fahrt verloren. Mit den derzeitigen Anstrengungen werde es rund vier Jahrzehnte brauchen, um ein flächendeckendes Angebot für alle Schüler bereitzustellen, so die Autoren der Studie. Es sei jedoch möglich, mit entsprechenden Investitionen bis 2025 eine Versorgung von 80 Prozent aller Schüler zu erreichen. Dazu würden bis dahin bundesweit rund 3,3 Millionen weitere Ganztagsplätze benötigt. „Die neue Bundesregierung muss dem Ganztagsausbau Priorität geben“, forderte der Vorstand der Bertelsmann Stiftung, Jörg Dräger. Die Erwartungen der Eltern gingen weit über den Ausbaustand hinaus. Rund drei Viertel wünschten sich einen Ganztagsplatz für ihr Kind. „Der Ganztagsausbau ist von den Eltern gewollt, pädagogisch geboten und finanziell machbar.“
Bundesweit wären der Studie zufolge für einen Aufbau auf eine 80-prozentige Versorgung rund 31 400 zusätzliche Lehrkräfte nötig. Dazu kämen 16200 pädagogische Fachkräfte. Dafür fielen jährlich etwa 2,6 Milliarden Euro zusätzliche Personalkosten an. Zugleich müssten kommunale Schulträger rund 15 Milliarden Euro investieren, um die notwendigen Räume bereitzustellen. Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass auf Grundlage dieser Investitionen bis 2030 eine Vollversorgung erreicht werden kann. Offen sei allerdings noch eine Einigung auf verbindliche Qualitätsstandards.
Großbaustelle Ganztagsschule: Zwar ist der Ausbau seit Beginn des Jahrtausends deutlich vorangekommen, doch fehlt es nach wie vor an Hunderttausenden von Plätzen. Die Berechnungen der Bertelsmann Stiftung machen deutlich: Ohne Umsteuern, ohne deutlich mehr Engagement des Bundes bei der Bewerkstelligung dieser Aufgabe wird es nicht gehen. Die Forderungen von FDP und Grünen, das Kooperationsverbot abzuschaffen, damit Berlin den Ländern und Kommunen stärker unter die Arme greifen kann, wird dadurch gestützt.
Wenn es die Union ernst meint mit ihrem Versprechen, mehr für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu tun, wird sie sich in den Jamaika-Verhandlungen bewegen müssen. Die Ankündigung, einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder zu schaffen, weist in die richtige Richtung. Auch beim Kita- und Krippenausbau ging es erst nach Einführung des Rechtsanspruchs voran.
Bei allen Argumenten, die für mehr Ganztagsplätze sprechen, von den Erleichterungen für Eltern bis zu besseren Bildungschancen auch für Kinder aus bildungsfernen Schichten, darf nicht vergessen werden: Eine Pflicht, sein Kind von früh bis spät in der Schule zu lassen, darf es nicht geben. @ Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de