„Die haben mich nicht umbringen können“
Entführungsopfer Gabriele von Lutzau ist heute Bildhauerin
FRAGE: Wie war das Gefühl direkt nach der Befreiung durch die GSG-9? VON LUTZAU: Absolute Erleichterung. Es war eine wirkliche Befreiung. Man schwebt auf einer rosaroten Wolke und fühlt sich unglaublich wohl und ist dankbar. Da war eine ganz tiefe Dankbarkeit in mir. FRAGE: Wurden Sie psychologisch betreut? VON LUTZAU: In den 70er Jahren war jeder für sich selbst verantwortlich. Es gab niemanden, der ansprechbar war, der „Weiße Ring“befand sich gerade in der Gründung. Wir haben lediglich einen Fragebogen bekommen, in dem stand „Sind Sie mit dem Täter verwandt oder verschwägert?“Da habe ich gedacht, ich halte es nicht mehr aus. FRAGE: Haben Sie einen Glauben, der Ihnen während der Entführung Halt gegeben hat? VON LUTZAU: Er kommt grade heraus in einer solchen Situation. Denn im normalen Leben bin ich überhaupt nicht religiös. Ich bin spirituell, also ich empfinde Dinge, ich glaube an das große Ganze, ich habe mit dem lieben Gott überhaupt kein Problem. Ich habe ehereinProblemmitdemBodenpersonal und mit bestimmten Dogmen. Aber während der Entführung, als es dann soweit war, dass wir eigentlich sterben sollten, da habe ich dann ein Vaterunser
gebetet. Das ist so ein Strohhalm, an dem man sich festhält. Und hinterher, diese tiefe Dankbarkeit, das können Sie auch ein Gebet nennen. FRAGE: Sie selbst sind dann im -achgang als „Engel von Mogadischu“bezeichnet worden... VON LUTZAU: Na ja, ich höre das seit 40 Jahren, das haben Passagiere gesagt, und die „Bild“-Zeitung hat es aufgegriffen, und ich kann es nicht ändern. Ich sage immer, ich habe meinen Job gemacht, ich habe meine Arbeit ordentlich gemacht. Und nicht mehr und nicht weniger. FRAGE: Was raten Sie Überlebenden oder Angehörigen? VON LUTZAU: Heutzutage würde ich eine Gesprächstherapie empfehlen, das ist etwas, was ich nicht hatte. Deswegen hat es sehr viel länger gedauert. Ich bin eine sehr stabile Persönlichkeit, und deswegen konnte ich damit umgehen. Andere Menschen, die mit mir entführt worden sind, sind daran zerbrochen. Jeder Mensch wird damit anders fertig oder auch nicht. Man muss es rauslassen, und man muss drüber reden, und dann geht es einem schon etwas besser. Mir hat die Kunst sehr geholfen, da habe ich mich reingestürzt. Es hat mir auch sehr geholfen, dass ich meinen wundervollen Sohn gekriegt habe, direkt nach der Entführung. Die haben mich nicht umbringen können!