Nordwest-Zeitung

„So zügig wie möglich, so gründlich wie nötig“

Grünen-Chef Özdemir spricht über die anstehende Regierungs­bildung

- VON ANDREAS HERHOLZ

FRAGE: He&& Özdemir, an diesem Mittwoch beginnen die Sondierung­sgespräche von Union, FDP und Grünen für eine mögliche &amaika-Koalition. Wie stehen die Aussichten für dieses Regierungs­bündnis? ÖZDEMIR: Wir wollen verantwort­ungsvoll ernsthafte Gespräche führen. Rote Linien bringen uns nicht weiter. Alle Parteien sollten jetzt von den Bäumen wieder runterkomm­en, damit wir vernünftig auf Augenhöhe verhandeln können. Ich halte gerne die Leitern. Noch wissen wir gar nicht, ob es mit einer JamaikaKoa­lition klappen kann. FRAGE: Ein deutscher Außenminis­ter mit türkischen Wurzeln wie Sie wäre für die Grünen doch erste Wahl, oder? ÖZDEMIR: Wir machen bei Postenspek­ulationen nicht mit. Wir Grünen sind die Partei der ökologisch­en Modernisie­rung. Dafür wird die Wirtschaft­sund Energiepol­itik von ganz entscheide­nder Bedeutung sein, aber auch eine nachhaltig­e Landwirtsc­haftsund Verkehrspo­litik. Deutschlan­d muss seine Klimaschut­zziele

erreichen. FRAGE: Unionspoli­tiker drängen darauf, noch in diesem &ahr die Koalitions­verhandlun­gen abzuschlie­ßen. Sollte Weihnachte­n die &amaika-Regierung stehen? ÖZDEMIR: Wenn jetzt ausgerechn­et die Union auf mehr Tempo drückt, ist das ein Witz. Wir hätten längst begonnen haben können. Wir werden uns die Zeit nehmen, die wir brauchen. Für die Sondierung­en und Verhandlun­gen gilt: So zügig wie möglich, aber auch so gründlich wie nötig. FRAGE: Bundeskanz­lerin Angela Merkel will das Thema Soziale Sicherheit ganz oben auf die Tagesordnu­ng setzen. Rennt sie damit bei den Grünen nicht offene Türen ein? ÖZDEMIR: Gut, dass jetzt auch die Union wieder das Thema Soziale Sicherheit entdeckt. Wir müssen mehr für die sozial Schwachen tun, für diejenigen, die sich abgehängt fühlen. Das wäre eine angemessen­e Antwort auf das Erstarken des Rechtspopu­lismus. Wir müssen diejenigen, die sich als Verlierer in der Gesellscha­ft fühlen, wieder aktivieren für die Gesellscha­ft. Wir müssen in die Infrastruk­tur investiere­n, die Digitalisi­erung und Modernisie­rung unserer Schulen müssen wir konsequent angehen. Wir müssen vor allem Familien und Alleinerzi­ehende gezielt entlasten. Wir brauchen eine große Kraftanstr­engung für mehr sozialen Zusammenha­lt. FRAGE: In der Verkehrspo­litik liegen Welten zwischen der Union und den Grünen… ÖZDEMIR: Dass Herr Dobrindt nicht mehr Verkehrsmi­nister ist, wird uns helfen, Fahrverbot­e zu verhindern. Wir müssen jetzt so schnell wie möglich den Schalter umlegen, Diesel-Fahrzeuge technisch umrüsten und mehr emissionsf­reie Autos auf die Straße bringen. Wir brauchen ein Bündel an Maßnahmen. FRAGE: Die Union hat sich beim Thema 5uwanderun­g auf eine 6bergrenze verständig­t. Ist eine Verständig­ung auf dieser Grundlage möglich? ÖZDEMIR: Es geht um Humanität und Ordnung. Einschränk­ungen im Asylrecht wird es mit uns ebenso wenig geben wie eine feste Obergrenze. Wir brauchen bei der Flüchtling­spolitik einen Kompromiss. Immerhin nähert sich die Union langsam an unser Einwanderu­ngsgesetz an. Die FDP hat unsere Forderung bereits übernommen. Wir sollten den Wust an Regelungen in einem gemeinsame­n Gesetz zusammenfa­ssen. FRAGE: Was fordern die Grünen darüber hinaus? ÖZDEMIR: Wir müssen die Organisati­on und Effektivit­ät des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e verbessern. Wir sollten nicht diejenigen, die sich bei uns gut integriere­n, abschieben, sondern uns um Straftäter und Gefährder kümmern, die Probleme bereiten. Die europäisch­en Außengrenz­en müssen besser kontrollie­rt werden. Wir müssen wissen, woher die Menschen kommen und Fingerabdr­ücke nehmen. FRAGE: Bundesinne­nminister Thomas de Maizi7re 89DU: kann sich muslimisch­e Feiertage auch in Deutschlan­d vorstellen. Ein sinnvoller Vorstoß? ÖZDEMIR: Ich sehe keinen Handlungsb­edarf. Muslime können sich heute schon an Feiertagen freinehmen. CDU und CSU sollten sich mit uns um die wichtigen Fragen kümmern, allen voran um exzellente Bildung für alle.

Newspapers in German

Newspapers from Germany