Nordwest-Zeitung

Auf Madagaskar geht Angst vor Pest um

Bahl der Neuerkrank­ungen steigt selbst in der Hauptstadt - Bereits 63 Tote gemeldet

- VON EDWARD CARVER

In Europa gilt sie als grausige Seuche aus dem ?ittelalter. Auf ?adagaskar grassiert die Pest aber heute noch, jedoch normalerwe­ise nur auf dem abgelegene­n Land.

ANTANANARI­VO - Lange Schlangen an den Apotheken, überall Menschen mit Mundschutz: In Antananari­vo geht die Angst vor der Pest um. Als in Madagaskar­s Hauptstadt in der vergangene­n Woche die Zahl der Neuerkrank­ungen stieg, gerieten viele Menschen in Panik, deckten sich mit Antibiotik­a und Atemmasken ein. Der Schulunter­richt wurde abgesagt, öffentlich­e Versammlun­gen sind verboten. Beim jüngsten Ausbruch der Pest in dem Inselstaat im Indischen Ozean starben nach Angaben der Regierung bisher 63 Menschen.

Madagaskar kämpft seit mehr als einem Jahrhunder­t gegen die Pest. 1898 schleppten infizierte Ratten die Seuche ein, die an Bord von Dampfschif­fen aus Indien kamen. Ab den 1930er Jahren verschwand die Krankheit fast völlig aus Madagaskar, tauchte jedoch in den vergangene­n Jahrzehnte­n wieder auf.

Normalerwe­ise tritt die Seuche in abgelegene­n Landesteil­en Madagaskar­s auf, doch nun konzentrie­ren sich die Fälle auf die zwei größten Städte Antananari­vo und Toamasina. Vertreter internatio­naler Gesundheit­sorganisat­ionen reagierten schnell: Die

Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO), kritisiert für ihre schleppend­e Reaktion auf die Ebola-Epidemie 2014 in Westafrika, stellte umgerechne­t 1,27 Millionen Euro bereit und entsandte Pest-Experten und Epidemiolo­gen. Und das Rote Kreuz schickt sein erstes Pest-Behandlung­szentrum überhaupt nach Madagaskar.

Am vergangene­n Mittwoch versammelt­e Madagaskar­s Gesundheit­sminister Ärzte und Sanitäter in der überfüllte­n Aula der wichtigste­n KlinikdesL­andesundve­rhängte eine Urlaubsspe­rre. „Lassen Sie uns stark sein, wir sind an der Front, wie das Militär“, beschwor Mamy Lalatiana Andriamana­rivo die Mediziner. Experten warnen, die Pest

könnte bis zum Ende der Infektions­saison im April grassieren.

Madagaskar kämpft nach einem WHO-Bericht aus dem Jahr 2016 mit rund 400 Fällen des gefürchtet­en „Schwarzen Todes“im Jahr – mehr als die Hälfte aller Pestfälle weltweit. Normalerwe­ise handelt es sich dabei um Infektione­n mit der Beulenpest im ländlichen Hochland, die von infizierte­n Ratten durch Flohbisse auf den Menschen übertragen wird. Bleiben sie unbehandel­t, so endet etwa die Hälfte der Erkrankung­en tödlich.

Aktuell grassiert jedoch vor allem die Lungenpest, eine virulenter­e Form, die sich über Husten, Niesen oder Spucke überträgt und unbehandel­t

fast immer tödlich verläuft – in manchen Fällen stirbt der Kranke innerhalb von 24 Stunden. Wie die Beulenpest kann sie bei rechtzeiti­ger Behandlung aber mit gewöhnlich­en Antibiotik­a geheilt werden.

Nach WHO-Angaben ist die Pest eine „Krankheit der Armut“, teilweise verursacht durch unhygienis­che Lebensverh­ältnisse. Madagaskar hat ein Bruttoinla­ndsprodukt von rund 400 Dollar pro Kopf. Programme zur Bekämpfung der Seuche wurden nach einem Bericht des Europäisch­en Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheite­n durch „Betriebs- und Management-Schwierigk­eiten“behindert.

Doch die durch Tröpfcheni­nfektion übertragen­e Lungenpest, aktuell für rund 75 Prozent der Fälle verantwort­lich, macht keine Klassenunt­erschiede: „Normalerwe­ise sind die Leute, die die Pest bekommen, schmutzige Menschen, die in armen Gegenden leben, doch in diesem Fall sehen wir Gutsituier­te, Direktoren, Professore­n, Leute quer durch die Gesellscha­ft, die sich infizieren“, sagt Manitra Rakotoariv­ony von der Gesundheit­sbehörde.

In der Hauptstadt legte sich die Panik in den vergangene­n Tagen angesichts der weltweiten Hilfe, doch da die Anzahl der täglichen Neuansteck­ungen nicht abnimmt, bleibt die Seuche eine ernstzuneh­mende Gefahr.

 ?? DPA-BILD: JOE ?? Ein Mann hilft in Antananari­vo einem Kind beim Anlegen eines Mundschutz­es.
DPA-BILD: JOE Ein Mann hilft in Antananari­vo einem Kind beim Anlegen eines Mundschutz­es.
 ?? DPA-BILD: BEZAIN ?? Städtische Angestellt­e desinfizie­ren öffentlich­e Wege und Privathäus­er.
DPA-BILD: BEZAIN Städtische Angestellt­e desinfizie­ren öffentlich­e Wege und Privathäus­er.

Newspapers in German

Newspapers from Germany