Auf Madagaskar geht Angst vor Pest um
Bahl der Neuerkrankungen steigt selbst in der Hauptstadt - Bereits 63 Tote gemeldet
In Europa gilt sie als grausige Seuche aus dem ?ittelalter. Auf ?adagaskar grassiert die Pest aber heute noch, jedoch normalerweise nur auf dem abgelegenen Land.
ANTANANARIVO - Lange Schlangen an den Apotheken, überall Menschen mit Mundschutz: In Antananarivo geht die Angst vor der Pest um. Als in Madagaskars Hauptstadt in der vergangenen Woche die Zahl der Neuerkrankungen stieg, gerieten viele Menschen in Panik, deckten sich mit Antibiotika und Atemmasken ein. Der Schulunterricht wurde abgesagt, öffentliche Versammlungen sind verboten. Beim jüngsten Ausbruch der Pest in dem Inselstaat im Indischen Ozean starben nach Angaben der Regierung bisher 63 Menschen.
Madagaskar kämpft seit mehr als einem Jahrhundert gegen die Pest. 1898 schleppten infizierte Ratten die Seuche ein, die an Bord von Dampfschiffen aus Indien kamen. Ab den 1930er Jahren verschwand die Krankheit fast völlig aus Madagaskar, tauchte jedoch in den vergangenen Jahrzehnten wieder auf.
Normalerweise tritt die Seuche in abgelegenen Landesteilen Madagaskars auf, doch nun konzentrieren sich die Fälle auf die zwei größten Städte Antananarivo und Toamasina. Vertreter internationaler Gesundheitsorganisationen reagierten schnell: Die
Weltgesundheitsorganisation (WHO), kritisiert für ihre schleppende Reaktion auf die Ebola-Epidemie 2014 in Westafrika, stellte umgerechnet 1,27 Millionen Euro bereit und entsandte Pest-Experten und Epidemiologen. Und das Rote Kreuz schickt sein erstes Pest-Behandlungszentrum überhaupt nach Madagaskar.
Am vergangenen Mittwoch versammelte Madagaskars Gesundheitsminister Ärzte und Sanitäter in der überfüllten Aula der wichtigsten KlinikdesLandesundverhängte eine Urlaubssperre. „Lassen Sie uns stark sein, wir sind an der Front, wie das Militär“, beschwor Mamy Lalatiana Andriamanarivo die Mediziner. Experten warnen, die Pest
könnte bis zum Ende der Infektionssaison im April grassieren.
Madagaskar kämpft nach einem WHO-Bericht aus dem Jahr 2016 mit rund 400 Fällen des gefürchteten „Schwarzen Todes“im Jahr – mehr als die Hälfte aller Pestfälle weltweit. Normalerweise handelt es sich dabei um Infektionen mit der Beulenpest im ländlichen Hochland, die von infizierten Ratten durch Flohbisse auf den Menschen übertragen wird. Bleiben sie unbehandelt, so endet etwa die Hälfte der Erkrankungen tödlich.
Aktuell grassiert jedoch vor allem die Lungenpest, eine virulentere Form, die sich über Husten, Niesen oder Spucke überträgt und unbehandelt
fast immer tödlich verläuft – in manchen Fällen stirbt der Kranke innerhalb von 24 Stunden. Wie die Beulenpest kann sie bei rechtzeitiger Behandlung aber mit gewöhnlichen Antibiotika geheilt werden.
Nach WHO-Angaben ist die Pest eine „Krankheit der Armut“, teilweise verursacht durch unhygienische Lebensverhältnisse. Madagaskar hat ein Bruttoinlandsprodukt von rund 400 Dollar pro Kopf. Programme zur Bekämpfung der Seuche wurden nach einem Bericht des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten durch „Betriebs- und Management-Schwierigkeiten“behindert.
Doch die durch Tröpfcheninfektion übertragene Lungenpest, aktuell für rund 75 Prozent der Fälle verantwortlich, macht keine Klassenunterschiede: „Normalerweise sind die Leute, die die Pest bekommen, schmutzige Menschen, die in armen Gegenden leben, doch in diesem Fall sehen wir Gutsituierte, Direktoren, Professoren, Leute quer durch die Gesellschaft, die sich infizieren“, sagt Manitra Rakotoarivony von der Gesundheitsbehörde.
In der Hauptstadt legte sich die Panik in den vergangenen Tagen angesichts der weltweiten Hilfe, doch da die Anzahl der täglichen Neuansteckungen nicht abnimmt, bleibt die Seuche eine ernstzunehmende Gefahr.