Nordwest-Zeitung

Binke Utopie endete in Blutbad

Was das Leben im Untergrund für eine kleine Schar attraktiv machte

- VON HANS BEGEROW

In den 28 Jahren ihres Bestehens überzogen die Linksterro­risten das Land mit einer Serie von Anschlägen. Vom Ziel des revolution­ären Umsturzes entfernten sich die Terroriste­n bald.

STUTTGART – Drei Generation­en von RAF-Terroriste­n haben in 28 Jahren in Deutschlan­d Dutzende Anschläge begangen, 34 Menschen starben als Folge ihrer Taten. Von der Idee eines revolution­ären Umsturzes entfernten sich die Aktivisten bald: In der Praxis ging es darum, der Polizei zu entkommen, Quartiere für die im Untergrund Lebenden zu akquiriere­n, Fahrzeuge und Geld zu beschaffen. „Beschaffen“– das hieß Banküberfä­lle und Einbrüche zu verüben, um Waffen und Passformul­are zu stehlen. Schon die erste Generation der RAF mit dem charismati­schen Andreas Baader und der aus Oldenburg stammenden Journalist­in Ulrike Meinhof machte die Erfahrung, dass das Leben im

Untergrund eine Aneinander­reihung von gewöhnlich­en Straftaten bedeutete und nicht die Massen auf ihre Seite zog.

Trotzdem bestand darin für eine kleine Gruppe von Linken durchaus ein Reiz: Die RAF als Lebensform, das Bewusstsei­n, einer vermeintli­chen Avantgarde anzugehöre­n, brachte einen „Erregungsg­ewinn“, wie der Sozialfors­cher Jan Philipp Reemtsma formuliert­e. Weniger die

Ohnmachtse­rfahrung, eher die Erfahrung von Exklusivit­ät und Macht, haben der Roten Armee Fraktion Freiwillig­e beschert, wie der Psychoanal­ytiker Horst-Eberhard Richter schrieb.

Für die zweite Generation der Terroriste­n ging es im Wesentlich­en nur noch darum, die Inhaftiert­en der ersten Generation frei zu bekommen. Was daraus wurde, war die beispiello­se Gewaltorgi­e des Jahres 1977. Nach der Verhaftung

fast aller noch verblieben­en Terroriste­n der zweiten Generation begann das Morden der dritten Generation, Mordtaten, die noch heute weitgehend unaufgeklä­rt sind. Auch weiß man nicht, wer genau der dritten Generation der RAF eigentlich angehörte.

Zur Bilanz der RAF gehören die harten Reaktionen des Staates, die noch heute durch eine Reihe von Gesetzesve­rschärfung­en und Verfahrens­änderungen

gelten – darunter einige fragwürdig­e, wie das Kontaktspe­rregesetz oder die Erschwerni­sse für eine Verteidigu­ng. Außerdem gehört zur Geschichte der RAF die pikante Rolle der DDR: Ein Staat hilft Terroriste­n aus dem Westen, bietet ihnen Unterschlu­pf, Trainings- und Transitmög­lichkeiten. Die von vielen Linken als spießig verschriee­ne DDR war als Rückzugsor­t den Terroriste­n gerade gut. %&'e 'e (e e

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DPA-BILD: WÄRNER Polizeibea­mte 1989 in Bad Homburg neben dem Wrack der Herrhausen-Limousine: Der Vorstandss­precher der Deutschen Bank AG, Alfred Herrhausen, war getötet worden, als eine Autobombe in seinem Wagen explodiert­e.

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