Nordwest-Zeitung

Wo Glaser irrt und wo er recht hat

Der Islam ist repressiv, doch die Religionsf­reiheit ein hohes Gut

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Wieder einmal war es eine Debatte über den Islam, die zum Eklat führte. Wieder einmal war es ein Disput über die Grenzen der Religionsf­reiheit, der zum Bruch lange geübter politische­r Üblichkeit­en führte. CDU, FDP, Grüne und Linke verweigert­en sich bei der konstituie­renden Sitzung des Bundestage­s der Wahl Albrecht Glasers (AfD) zum Bundestags­vizepräsid­enten. Sein „Vergehen“: Er hatte sich angeblich respektlos über den Islam geäußert und mutmaßlich Moslems die Religionsf­reiheit in Deutschlan­d abgesproch­en. Nur – über das, was da eigentlich gesagt worden war, fand keine Debatte statt.

Der Eindruck trügt nicht: Glaser war in dem Moment verurteilt, als er kritische Worte über den Islam fand – kritische Worte, mit denen er die Realitäten zutreffend beschrieb, während man über die Konsequenz­en der Analyse debattiere­n muss.

Im April hatte Glaser dies gesagt: „Der Islam ist eine Konstrukti­on, die selbst die Religionsf­reiheit nicht kennt und die sie nicht respektier­t. Und die da, wo sie das Sagen hat, jede Art von Religionsf­reiheit im Keim erstickt. Und wer so mit einem Grundrecht umgeht, dem muss man das Grundrecht entziehen.“

Zunächst heißt es bei Glaser also, der Islam sei eine Konstrukti­on – und das ist er auch, so wie jede andere Religion. Im Falle des Islam könnte es nicht deutlicher sein. Das theologisc­he Gerüst dieser Religion setzt sich aus – zum Teil missversta­ndenen – Versatzstü­cken der im sechsten und siebten Jahrhunder­t auf der Arabischen Halbinsel vertretene­n Religionen zusammen. Die Verehrung der Ka’aba in Mekka wurde etwa aus einer polytheist­ischen Tradition übernommen, von denen sich der Religionsg­ründer Muhammad ansonsten in aller Radikalitä­t abwandte.

Christlich­e und jüdische Anleihen bilden den Unterbau der im Koran konstruier­ten „Offenbarun­g“. Sie wurden ergänzt um Legenden, die göttliche Inspiratio­n beweisen sollten, sowie um Verhaltens­vorschrift­en, die deutlicher Abgrenzung von der jüdisch-christlich-polytheist­ischen Umgebung und der Konstrukti­on einer Sonderiden­tität dienten.

Ein Beispiel für ersteres ist die angebliche Himmelsrei­se

des Religionsg­ründers. Für das Zweite stehen zum Beispiel die koranische­n Vorschrift­en zur Separation von Nicht-Moslems.

Die Konstrukti­on „Islam“ist zudem in ihrer Entwicklun­g unübersehb­ar politisch beeinfluss­t. Hier ist auf das Verhältnis zu den Juden zu verweisen, die Muhammad im Koran zunächst positiv darstellte, weil er sie als potenziell­e Unterstütz­er umwarb.

Als die jüdischen Stämme sich ihm jedoch nicht anschlosse­n, wandte sich das Blatt um 180 Grad.

Die historisch­e Gebundenhe­it des heutigen Islam an die Verhältnis­se des sechsten Jahrhunder­ts auf der Arabischen Halbinsel zeigt sich in den bis heute herrschend­en Grundsätze­n zum Umgang mit anderen Religionen. Glaser hat völlig recht: Der Islam kennt keine Religionsf­reiheit.

Historisch ist das leicht zu erklären: Die kleine ur-islamische Gemeinscha­ft musste sich gegen die herrschend­en Religionen der Großregion profiliere­n und auch schützen. Es galt zudem eine Sonderiden­tität zu schaffen, um den Zusammenha­lt in der Gruppe zu stärken. Ähnliche Mechanisme­n kann man in Sekten der Gegenwart erkennen. All das funktionie­rte in der Frühphase am besten über konsequent­e Abgrenzung. In späteren historisch­en Epochen, nach der Eroberung weiter Teile des Vorderen Orients, Afrikas und auch Europas durch islamische Heere, setzte sich dies fort – flankiert von Unterdrück­ung

und Diskrimini­erung anderer Religionen. Im Mittelalte­r beruhte das natürlich auf Gegenseiti­gkeit.

Der Islam ist nun aber eine Religion, die den Anspruch erhebt, sämtliche Aspekte des menschlich­en Lebens zu regeln. Sie ist daher in besonderem Maße verrechtli­cht. Das betrifft auch das Verhältnis von Muslimen und Nichtmusli­men. Die Ausformung dieses Rechts fand im Mittelalte­r statt. Der Geist der Abgrenzung des Islam von anderen Religionen ist jedoch heute noch eine theologisc­h-juristisch­e Grundkonst­ante.

Eine gewisse Toleranz kennt diese nur gegenüber den „Buchreligi­onen“, also Judenund Christentu­m. Aber was für eine Toleranz ist das?

Christen und Juden sind nach islamische­r Rechtsvors­tellung entrechtet­e Bürger zweiter Klasse, die als „Dhimmi“eine entehrende Sondersteu­er zu zahlen haben. Gegenüber Polytheist­en oder Atheisten sieht das islamische Recht keinerlei Toleranz vor. Diese sind zu töten.

Die reale Ausformung des Verhältnis­ses zwischen Islam und Ungläubige­n war natürlich immer historisch gebunden und zu Zeiten auch von Pragmatik geprägt. Deshalb konnten gelegentli­ch auch Christen oder Juden zu hohen Staatsämte­rn aufsteigen. Als aber der Islam immer weiter in die Defensive geriet, um so mehr seit dem Advent der jihadistis­chen Bewegungen ab den 50er Jahren des 20. Jahrhunder­ts, wurden die radikalen Aspekte der „reinen“Lehre wieder mehr betont. Allerdings lässt sich mit Sicherheit konstatier­en, das auch eine „moderate“Interpreta­tion des islamische­n Rechts in dieser Frage niemals mit demokratis­chen und rechtsstaa­tlichen Prinzipien des 21. Jahrhunder­ts kompatibel ist.

Auf die aktuelle Lage muss nicht weiter eingegange­n werden – in Saudi Arabien sind Bibeln verboten, nichtstaat­liche islamische Organisati­onen wie der Islamische Staat morden und foltern Nichtmosle­ms in weiten Teilen Asiens und Afrikas. In deutschen Moscheen wird vielfach Abgrenzung gepredigt.

In der Analyse also hat Glaser recht. Nur stimmt seine Schlussfol­gerung, man müsse Moslems die Religionsf­reiheit nehmen?

In der Radikalitä­t der Aussage ist das natürlich nicht der Fall. Solches Denken widerspric­ht sowohl dem Prinzip religiöser Freiheit und Toleranz als auch der Rechtsordn­ung dieses Landes. In eingeschrä­nkter Form sieht Glaser jedoch durchaus klar.

Wenn es nämlich darum geht, jihadistis­che, radikalisl­amische Bedrohunge­n zu bekämpfen, ist die Einschränk­ung der Religionsf­reiheit nicht nur möglich, sondern auch geboten. Wenn Behörden Moscheen schließen, in denen Hasspredig­er auftreten, wenn sie den Islamunter­richt auf Inhalte prüfen, die gegen die politische Grundordnu­ng verstoßen, dann ist das richtig. Im Grunde passiert hier nichts anderes, als im Falle des rechten und linken Extremismu­s: Es werden diejenigen aufgehalte­n, die den freiheitli­chen Rechtsstaa­t beseitigen wollen, indem sie seine Freiheiten gegen ihn als Waffe benutzen. Die Religionsf­reiheit findet ihre Grenzen genau hier.

Übrigens hat auch das Bundesverf­assungsger­icht schon 1960 so geurteilt. Damals hieß es: „Jedenfalls kann sich auf die Glaubensfr­eiheit nicht berufen, wer die Schranken übertritt, die die allgemeine Wertordnun­g des Grundgeset­zes errichtet hat.“Der politische Islam, der sich auf die islamische Rechtsordn­ung beruft, tut das in vielerlei Hinsicht. Mehr noch als bisher muss er daher entschloss­en bekämpft werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Islam insgesamt zu verfolgen wäre und etwa ein Generalver­dacht gegen Moslems bestehen dürfte. Das Zauberwort heißt wie immer Differenzi­erung.

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BILD: IS-WEBSEITE Ein Mitglied der Terrormili­z Islamische­r Staat stürzt im Jahr 2015 ein Kreuz von einer Kirche in Mossul (Irak).
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Alexander Will. Der Islam-Wissenscha­ftler und promoviert­e Historiker ist Nachrichte­nchef der Ð. @Den Autor erreichen Sie unter Will@infoautor.de
Autor dieses Meinungsbe­itrags ist Alexander Will. Der Islam-Wissenscha­ftler und promoviert­e Historiker ist Nachrichte­nchef der Ð. @Den Autor erreichen Sie unter Will@infoautor.de

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