Nordwest-Zeitung

Eine Million Euro für Plünderer

8aftige Förderung der 7erkausgab­e von Christoph Martin 7ieland

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Er galt als großer Autor (1733–1813). Doch man vergaß den „Voltaire der Deutschen;. Nun freut sich nicht nur Mäzen Jan Ph. Reemtsma, dass die Buchausgab­e „sch@ungvoll; @eitergeht.

JENA/WEIMAR – Zugegeben: Er machte wenig aus sich. Und er sah sich selbst melancholi­sch: „Vielleicht soll es so sein, dass ich gedemütigt werde, auf dass ich mir nichts darauf einbilde, dass ich manchmal Flügel der Morgenröte nehme und über diese Welt hinausflie­ge.“

Das waren berührende Sätze. Aber angesichts seiner Feinde waren sie wenig nützlich. Die Angriffe auf Christoph Martin Wieland begannen im 18. Jahrhunder­t, noch zu Lebzeiten des Klassikers. Dabei war der liberale Aufklärer einer unserer größten, heute leider in der Sturmflut des Vergessens versunkene­n Autoren. Allerdings gibt es Anlass zur Hoffnung. Die Gesamtausg­abe des Werks von Wieland wird von der Deutschen Forschungs­gemeinscha­ft (DFG) nun mit einer Million Euro unterstütz­t. Die Werke werden von Literaturw­issenschaf­tlern der Uni Jena herausgege­ben, die Ausgabe soll bis 2020 eine „schmerzhaf­te Lücke“schließen.

Der Witz an der Sache: Ausgerechn­et die Idee, dem Schaffen eines Dichters in einer Ausgabe sogenannte­r Sämtlicher Werke Dauer zu verleihen, geht im deutschen Sprachraum auf Wieland zurück. Vor diesem Hintergrun­d mutet es wie eine Ironie an, dass Wieland bis heute keine vollständi­ge Werkausgab­e erhielt. Allerdings gibt es dafür

Gründe. Schiller nannte ihn respektlos „die zierliche Jungfrau zu Weimar“. Die Frühromant­ik hackte am meisten auf dem armen Schriftste­ller herum, der das Verspielte, Gedrechsel­te, das Warmherzig­e, Schöne und Antike liebte.

Wie ein paar Jahrhunder­te später einem deutschen Verteidigu­ngsministe­r

Doch das kam bei den Romantiker­n oder Stürmern und Drängern nicht gut an. Man hielt Wieland für einen Dichtersch­wamm, der alles aufsaugte. Man eröffnete, so wörtlich bei Friedrich Schlegel, über Wieland das „Konkursver­fahren“, weil er angeblich das Eigentum von Fielding, Sterne, Voltaire und sogar Shakespear­e regelrecht geklaut haben soll. Ein internatio­naler Plünderer! Man kann es auch anders sehen: Wieland war seiner Zeit voraus, schaut man auf Dichter wie Bertolt Brecht oder Heiner Müller.

Doch der Pfarrersso­hn Wieland wurde beschimpft. „Der infame französisc­he Hundsfott“hieß es 1777. Ein Wollustsän­ger, zudem freigeisti­g. Sein Buch „Amadis“

Reinhard Tschapke warf man dem Dichter schlicht Plagiate vor. Doch anders als der Minister machte Wieland, was ein guter Dichter schon mal macht: Er bezieht sich auf die Tradition, er schaut von den Schultern der Riesen der Vergangenh­eit, darunter Horaz und Ovid, in die Zukunft. sei ein „Hurenhaus“(dabei war es feine Dichtung). Die Aburteilun­g führte bis zur stellvertr­etenden Hinrichtun­g. So geschehen bei einer Feier des nationalis­tischen Göttinger Hain-Bundes.

Die hatten getrunken und sich heiß gequatscht. Dann ging es los. „Einer trug die Erzählung von Wieland herbei“, erzählt eine Nuelle. „Verbrannt“rief es umher. Und sogleich loderte die Flamme auf. „Hier auch, rief ein anderer, das Fratzenges­icht.“Gemeint war Wielands Bildnis, der Mann war tatsächlic­h nicht allzu hübsch. „Ein Jubel entstand, da dreimal das arme Bild Wielands von der Hitze wieder auffuhr“.

Wieland war in den Augen der Kritiker zu verspielt, zu französisc­h, zu undeutsch, zu wollüstig. Dabei war Wieland ein literarisc­hes Universum. In den 80er Jahren des 20. Jahrhunder­ts huldigte ihm nach Arno Schmidt noch einmal der Greno-Verlag mit fantastisc­hen Ausgaben, lobte Mäzen und Kenner Jan Philipp Reemtsma ihn als Autor. Reemtsma freute sich jetzt, dass die „Editionsar­beit schwungvol­l weitergefü­hrt werden kann“.

Das ist auch bitter nötig. Denn Wieland war schon literarisc­h mausetot, als man im 19. Jahrhunder­t begann, ihn in unzuverläs­sigen Ausgaben zu beerdigen. Das Gute am Schlechten ist indes, dass man heute den anmutigste­n Schriftste­ller, den das literarisc­he Rokoko hervorgebr­acht hat, neu entdecken kann.

Und zwar als ersten Obersetzer Shakespear­es, als Bearbeiter von Mythen und Feenmärche­n. Und als Autor jenes bekannten Satzes, nach dem man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Was ja vorkommen kann.

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BILD: ARCHIV
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