„eiue' Nachdenken über den Glauben hat begonnen“
Iischof Jan Janssen über das Reformations-Jahr und was es bewegt hat: Nähe und Vertrauen
ZRAGE: Was hat der Thesenanschlag vor 500 Jahren bewegt und inwiefern ist die Reformation noch heute spürbar? JANSSEN: EiL Hem Thesenanschlag Martin Luthers hat ein neues Nachdenken über den Glauben begonnen, in einer Bewegung, die die befreiende Kraft des Glaubens wieder gestärkt hat. Das halte ich heute immer noch für relevant. FRAGE: Wie wurde im Reformationsjubiläum daran ange"nüpft? JANSSEN: In der Fülle der Veranstaltungen und der vielen kirchenmusikalischen Projekte haben wir in diesem Jahr diese befreiende Kraft wiederentdeckt, indem wir mit ganz vielen Partnern etwas zusammen gestaltet haben: mit gesellschaftlichen Trägern, Museen, Rathäusern, Bildungseinrichtungen, dem Handel und mit Medien. FRAGE: Was war das Besondere an diesem Jubiläums-Jahr? JANSSEN: Es ging um Fragen z.B. von Freiheit, Toleranz und Bildung, die unsere ganze Gesellschaft betreffen. Es hat uns große Freude gemacht, dass es ein gemeinsames Fest ist – auch ökumenisch, mit der katholischen Kirche. FRAGE: Haben sich die Konfessionen also angenähert? JANSSEN: Wir staunen selbst, dass wir inzwischen auf diese Frage mit Ja antworten können. Herausgekommen ist ein gemeinsames Tun. Auch im Oldenburger Land haben wir
das erlebt. Ich war mit Weihbischof Theising zusammen in Wittenberg. Solche Signale sind sehr spürbar, und wir haben verstanden, dass wir gemeinsam unterwegs sind. Das ist eine historisch unglaubliche Wende. FRAGE: Geht es zu"ünftig vielleicht sogar in Richtung Einheit? JANSSEN: Den Wunsch gibt es ganz gewiss, vor allem, dass wir noch mehr zusammen machen. Ich persönlich finde, dass wir durchaus Unterschiede haben dürfen, aber sie nicht mehr als trennend empfinden, sondern als Mehrsprachigkeit unseres Glaubens. FRAGE: Gehen die Werte der Reformation über die Religiosität hinaus? JANSSEN: Martin Luther hat es „die Freiheit eines Christenmenschen“genannt, das heißt: Du bist befreit, auch zu einem neuen Engagement; befreit, auf den anderen zuzugehen. Du musst keine Angst haben. Die Angstmacherei aus der Religion herauszunehmen – das war ein zentrales Anliegen Luthers. FRAGE: Was sind heute zentrale Reformerfordernisse in der evangelischen Kirche? JANSSEN: Mir ist der Aspekt wichtig, dass auch wir evangelische Christinnen und Christen lernen, dass Vielfalt nichts Bedrohliches ist, sondern etwas Positives. Die Tür öffnen zu anderen Kirchen – die eine weitere Spielart von Glaubensgestaltung bieten –, diese Grundbewegung finde ich sehr kostbar. FRAGE: Können aus dem Jubiläums-Jahr Lehren für die Zu"unft gezogen werden? JANSSEN: Das Hinausgehen aus den eigenen Kirchenmauern – gesellschaftlich, ökumenisch aber auch international –, das wird jetzt nicht vergessen sein. Wir haben schon sehr viel miteinander eingeübt. Was können wir noch zusammen machen? Das ist jetzt die Frage. Da wird sich etwas tun. Das Vertrauen, das in Sachen Ökumene gewachsen ist, kann man nicht zurückdrehen. FRAGE: Wäre dann nicht auch ein dauerhafter Feiertag sinnvoll? JANSSEN: Das ist eine politische Entscheidung. Aber wenn der Staat sagt, wir haben einen Feiertag, der dem Thema Freiheit und Religion gewidmet ist, dann könnte das auch Brücken bauend zwischen den Religionen wirken. Das wäre meine Hoffnung.