Nordwest-Zeitung

Fidschi muss ganze Dörfer verlegen

|eeresspieg­el steigt – Bedrohter Pazifiksta­at hat den Vorsitz des Klimagipfe­ls in Bonn

- VON CHRISTOPH SATOR

Küstenbewo­hner erleben das Wasser zunehmend als Feind. Der Bürgermeis­ter eines betroffene­n Dorfs ist pessimisti­sch.

NARIKOSO – In den vergangene­n 20 Jahren kam Kelepi Saukitoga aus seinem Dorf nie wirklich heraus. 1997 wurde sein Vater, ein Beamter, nach Narikoso versetzt, einem kleinen Nest auf Ono, einer von mehr als 300 Fidschi-Inseln, damals noch ein richtiges Südsee-Idyll mit viel Strand und Palmen. Mit dem Boot sind es viereinhal­b Stunden bis nach Suva, der Hauptstadt. Hier in der katholisch­en Kirche hat Saukitoga geheiratet, hier wurde er Bürgermeis­ter. Hier lebt der 40-Jährige nun mit Frau Muriani und vier Söhnen im eigenen Haus, direkt am Meer.

Aber lange wird das nicht mehr so sein. Denn die Saukitogas müssen umziehen – weil der Meeresspie­gel steigt und steigt und steigt. Man könnte auch sagen: wegen des Klimawande­ls. Inzwischen steht bei der Familie zwei Mal pro Tag, wenn Flut ist, der Südpazifik am Haus. Mit schrecklic­her Regelmäßig­keit ist Land unter. Bei Vollmond ist es am schlimmste­n. Viel fehlt nicht mehr, und das Wasser schwappt über die Schwelle. Saukitoga will mit seiner Familie nur noch weg. Das Fundament seines Hauses ist kaputt. Überall sind Risse. In den Mauern steckt die Feuchtigke­it. Oben an der Küchendeck­e wuchern Pilze. Die Erde draußen schlägt Blasen, so schwer ist sie mit Wasser getränkt. Der Boden ist völlig versalzen. Hier wächst schon lange nichts mehr. Vom Müllhaufen nebenan schwimmt Dreck heran. Es ist eine ziemlich ekelhafte Brühe, die näher und näher kommt.

Von Südsee-Träumen ist man hier inzwischen ziemlich weit entfernt. Die Saukitogas werden nun in eine neue Unterkunft ziehen, etwa hundert Meter weiter im Inselinner­en.

Die Flucht vor den Auswirkung­en des Klimawande­ls ist hier kein Einzelschi­cksal. Narikoso ist nur eines von insgesamt 42 Dörfern, die nach Einschätzu­ng von Fidschis Regierung auf absehbare Zeit ganz oder teilweise verlegt werden müssen, alle von der Küste weg. Experten schätzen, dass es mehr als hundert sein werden. Mit dreien wurde der Anfang schon gemacht.

Fidschi gehört zu den Ländern, die unter dem Treibhause­ffekt besonders zu leiden haben. Seit 1993 stieg der Pazifik-Spiegel hier pro Jahr um durchschni­ttlich sechs Millimeter – also fast schon 15 Zentimeter, mehr als im weltweiten Mittel. Wenn nichts getan wird, wird das Wasser vermutlich zum Ende des Jahrhunder­ts 1,40 Meter höher stehen.

Nun erhält Fidschi zumindest vorübergeh­end mehr Aufmerksam­keit. Das liegt daran, dass es als erster kleiner Inselstaat den Vorsitz des jährlichen Klimagipfe­ls führt. Eigentlich müsste die zweiwöchig­e Konferenz COP23 (Conference of Parties, Konferenz der Parteien, Nummer 23) am 6. November auch hier beginnen. Tatsächlic­h findet der Gipfel aber 16000 Kilometer weiter statt, in Bonn. Für 25 000 Teilnehmer reichen auf Fidschi die Zimmer nicht.

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