Fidschi muss ganze Dörfer verlegen
|eeresspiegel steigt – Bedrohter Pazifikstaat hat den Vorsitz des Klimagipfels in Bonn
Küstenbewohner erleben das Wasser zunehmend als Feind. Der Bürgermeister eines betroffenen Dorfs ist pessimistisch.
NARIKOSO – In den vergangenen 20 Jahren kam Kelepi Saukitoga aus seinem Dorf nie wirklich heraus. 1997 wurde sein Vater, ein Beamter, nach Narikoso versetzt, einem kleinen Nest auf Ono, einer von mehr als 300 Fidschi-Inseln, damals noch ein richtiges Südsee-Idyll mit viel Strand und Palmen. Mit dem Boot sind es viereinhalb Stunden bis nach Suva, der Hauptstadt. Hier in der katholischen Kirche hat Saukitoga geheiratet, hier wurde er Bürgermeister. Hier lebt der 40-Jährige nun mit Frau Muriani und vier Söhnen im eigenen Haus, direkt am Meer.
Aber lange wird das nicht mehr so sein. Denn die Saukitogas müssen umziehen – weil der Meeresspiegel steigt und steigt und steigt. Man könnte auch sagen: wegen des Klimawandels. Inzwischen steht bei der Familie zwei Mal pro Tag, wenn Flut ist, der Südpazifik am Haus. Mit schrecklicher Regelmäßigkeit ist Land unter. Bei Vollmond ist es am schlimmsten. Viel fehlt nicht mehr, und das Wasser schwappt über die Schwelle. Saukitoga will mit seiner Familie nur noch weg. Das Fundament seines Hauses ist kaputt. Überall sind Risse. In den Mauern steckt die Feuchtigkeit. Oben an der Küchendecke wuchern Pilze. Die Erde draußen schlägt Blasen, so schwer ist sie mit Wasser getränkt. Der Boden ist völlig versalzen. Hier wächst schon lange nichts mehr. Vom Müllhaufen nebenan schwimmt Dreck heran. Es ist eine ziemlich ekelhafte Brühe, die näher und näher kommt.
Von Südsee-Träumen ist man hier inzwischen ziemlich weit entfernt. Die Saukitogas werden nun in eine neue Unterkunft ziehen, etwa hundert Meter weiter im Inselinneren.
Die Flucht vor den Auswirkungen des Klimawandels ist hier kein Einzelschicksal. Narikoso ist nur eines von insgesamt 42 Dörfern, die nach Einschätzung von Fidschis Regierung auf absehbare Zeit ganz oder teilweise verlegt werden müssen, alle von der Küste weg. Experten schätzen, dass es mehr als hundert sein werden. Mit dreien wurde der Anfang schon gemacht.
Fidschi gehört zu den Ländern, die unter dem Treibhauseffekt besonders zu leiden haben. Seit 1993 stieg der Pazifik-Spiegel hier pro Jahr um durchschnittlich sechs Millimeter – also fast schon 15 Zentimeter, mehr als im weltweiten Mittel. Wenn nichts getan wird, wird das Wasser vermutlich zum Ende des Jahrhunderts 1,40 Meter höher stehen.
Nun erhält Fidschi zumindest vorübergehend mehr Aufmerksamkeit. Das liegt daran, dass es als erster kleiner Inselstaat den Vorsitz des jährlichen Klimagipfels führt. Eigentlich müsste die zweiwöchige Konferenz COP23 (Conference of Parties, Konferenz der Parteien, Nummer 23) am 6. November auch hier beginnen. Tatsächlich findet der Gipfel aber 16000 Kilometer weiter statt, in Bonn. Für 25 000 Teilnehmer reichen auf Fidschi die Zimmer nicht.