Nordwest-Zeitung

Sk!nd!l um unschickli­ches H!lten von Instrument­en

Verein der Musikfreun­de lud zum „Wortspiel“– Bra8o-Rufe f9r Cellistin Katharina Deserno

- VON ANNA LISA OEHLMANN

OLDENBURG – Was für ein Skandal: Eine Dame am Cello, die das Instrument zwischen den Beinen hält – wie peinlich! Mit seiner tiefen Klangfarbe, dem schweren Klangkörpe­r und der Hornhaut an den Fingern vom Spielen galt es bis zu den 1840er Jahren als typisches Instrument für Männer. Daher waren die Kritiker skeptisch und neugierig, als die ersten Cellistinn­en die Bühne betraten.

Dass es heute ganz großartige, passionier­te Cellistinn­en gibt, bewies Katharina Deserno im Konzert mit Pianist Nenad Lei. Der Verein der Musikfreun­de Oldenburg hatte das Duo am Samstagabe­nd zum Konzert in die Exerzierha­lle des Oldenburgi­schen Staatsthea­ters eingeladen. Unter dem Titel „Wortspiel – Wort und Musik am Puls der Zeit“warfen sie Blickpunkt­e auf die berühmten Cellistinn­en der Musikgesch­ichte.

Gespannt war das Publikum damals darauf, wie Lise Cristiani das Cello halten würde, als sie ab 1844 in Paris, Rouen und Brüssel Konzerte gab. Wie man das Cello damals damenhaft hielt – ohne es peinlich zwischen die Beine zu klemmen – demonstrie­rte Katharina Deserno auf charmante Art und Weise. Der erste Trick: einfach ein wallendes Kleid tragen, unter dem man Spiel mit überschlag­enen Beinen: Katharina Deserno demonstrie­rte im Konzert mit Pianist Nenad Lei, wie die ersten berühmten Cellistinn­en das Instrument hielten.

die Körperkont­uren nicht mehr sieht. Manche Frauen platzierte­n das Instrument auf einem Schemel, manchmal auch erhöht mit einem Kissen, einfach nur zwischen die Beine geklemmt oder mit Stachel und überschlag­enen Beinen. Der Kreativitä­t waren keine Grenzen gesetzt.

In ihrer lebhaften Moderation stellte Katharina Deserno berühmte Cellistinn­en vor. Zu Lebzeiten waren sie bekannt, doch die meisten von ihnen

verschwand­en relativ schnell wieder von der Bildfläche, weil sie Mütter wurden oder früh starben. Aus der Vergessenh­eit holten sie Katharina Deserno und Nenad Lei.

Manchmal bedarf es keiner Worte und keiner Erklärunge­n, sondern einfach nur Hingabe an die Musik. Das verdeutlic­hte das Duo im „Lied ohne Worte“von Felix Mendelssoh­n Bartholdy. Sehnsuchts­voll klang das Spiel der beiden Musiker. Deserno

brachte das Cello regelrecht zum Singen, Seufzen und Luft holen. Dazu perfekt abgestimmt ganz sacht die feinperlig­e Begleitung von Lei.

Wie ein Streitgesp­räch mit anschließe­nder Versöhnung wirkte das „Capriccio As-Dur“von Fanny Hensel-Mendelssoh­n. Feurig und temporeich gerieten die Instrument­e in ein Zwiegesprä­ch, bevor sie sich in zarten Klang aussöhnten.

Vom Klagen bis zur Entfesslun­g bewegte sich der „Epiloque“von Rebecca Clarke, dass sie der großen Cellisin Guihermina Suggia widmete. In der Entwicklun­g vom zarten Beginn zum wild bewegten, tiefen Spiel fesselte Deserno ihre Zuhörer. Etwas mehr Spielfreud­e wurde in May Mukles „Two Fancies for Cello and Piano“sichtbar. Pianist und Cellistin waren auf den Punkt zusammen. Die Tempovaria­tionen garnierten sie mit einer Prise Humor.

Einen furiosen Schlusspun­kt setzte das Duo mit Sergej Rachmanino­ffs „Sonate gmoll op. 19“. Völlig in das Stück versunken war Pianist Lei. In den leisen Passagen fühlte er sich ebenso wie seine Partnerin so richtig in die Musik ein. Bei hohem Tempo verlor Lei nie die Leichtigke­it in seinem Spiel – großartig. Dazu erklang ein dahinschme­lzendes Cello. Im zweiten Satz packten sie die Zuhörer mit dem richtigen Groove. Nach einem zärtlichen, beinahe weinenden dritten Satz endete das Konzert in stürmische­r Schnelligk­eit.

Die absolute Hingabe der Musiker ließ die einzelnen Stücke in ihrem jeweiligen Charakter lebendig werden. Mit der Spielfreud­e und der charmanten Moderation begeistert­en die Kammermusi­ker das Publikum. Am Ende ließen sie sich sogar zu einigen Bravo-Rufen hinreißen.

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BILD: ANNA LISA OEHLMANN

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