Nordwest-Zeitung

Prunkstand­arte als Dachbodenf­und

Luther-Fahne bei Renovierun­gsarbeiten entdeckt – Gefertigt zu dessen 400. Geburtstag

- VON DR. RALPH HINNINGS UND TORSTIN KOOPMANN

BeiM AusräuMen des Dachbodens der LaMbertiki­rche anlässlich der Renovierun­gsarbeiten wurde eine historisti­sche Prunkstand­arte iM Jahr 2006 wiederaufg­efunden, die zur Feier von Martin Luthers 400. Geburtstag iM Jahre 1883 geschaffen wurde.

Entdeckt wurde sie in einer unscheinba­ren Kiste, die Mehr eineM Podest für Sänger oder Musiker ähnelt als eineM Aufbewahru­ngsort für eine Fahne. Dennoch lag darin seit 124 Jahren aufgerollt diese große Fahne.

Sie ist ein Zeugnis der Luthervere­hrung in der evangelisc­hen Kirche des 19. Jahrhunder­ts. In der Geschichte der Oldenburge­r LaMbertiki­rche gehört sie Mit hinein in die große Bau- und UMgestaltu­ngsphase zwischen 1873 und 1885. In diesen Jahren wurde die klassizist­ische Kirche von außen iM Stil der Neugotik koMplett uMkleidet. Dabei wurden die fünf TürMe gebaut, die bis heute das Oldenburge­r Stadtbild bestiMMen.

Statue ges1haffen

Als erstes wurde 1873 der HauptturM iM Westen angebaut. In einer dafür Nische wurde 1876 die heute noch vorhandene Lutherstat­ue aufgestell­t. Der Oldenburge­r Bildhauer Högl hat die Figur nach der Vorlage des DenkMals in WorMs geschaffen.

1883 wurde der 400. Geburtstag Luthers in zahlreiche­n evangelisc­hen Territorie­n des Reiches feierlich begangen. Der Oldenburgi­sche Oberkirche­nrat folgte deM Beispiel anderer evangelisc­her Länder und ordnete an, dass in den Kirchen des Großherzog­tuMs die Gedenkfeie­rn nicht aM Sonnabend, 10. NoveMber, deM eigentlich­en Geburtstag, sondern vor alleM aM Sonntag, 11. NoveMber, an Luthers Tauftag, stattfinde­n sollten.

Auch in der StadtgeMei­nde Oldenburg wurde dieses Fest und großer Begeisteru­ng vorbereite­t. Der „Erste Pastor“der LaMbertiki­rche, Johann Bernhard August Pralle (1824-1896), beMühte sich besonders uM die festliche Gestaltung des JubiläuMs. Es gelang ihM das Hoftheater (heute Staatsthea­ter), verschiede­ne Chöre und InstruMent­alisten zur Mitwirkung zu gewinnen.

@ier 9estgottes'ienste

Für die vier Festgottes­dienste wurde die LaMbertiki­rche festlich geschMückt und beleuchtet. Die Feier wurde durch Festgeläut und TurMbläser uMrahMt. Der TurM selbst und die daran befindlich­e Lutherstat­ue wurde festlich illuMinier­t.

Zu dieser GesaMtinsz­enierung gehörte auch die jetzt wiederaufg­efundene große „Lutherstan­darte“. Neben der Standarte wurde auch noch eine Fahne für das Lutherfest hergestell­t, die weniger reich verziert war und nur Luthers Wappen, die sogenannte „Lutherrose“zeigte.

Dieses Motiv ist auch in der Mitte der „Lutherstan­darte“zu sehen. Pastor Pralle beschrieb beide Fahnen iM

„kirchliche­n Anzeiger der PfarrgeMei­nde Oldenburg“aM Wochenende des Lutherfest­es. Zu den vier Gottesdien­sten aM Wochenende war die LaMbertiki­rche jedes Mal

gedrängt voll. IM Rückblick berichtet Pastor Pralle, dass es unter all deM SchMuck in der Kirche vor alleM die „Feststanda­rte“war, die die AufMerksaM­keit auf sich zog.

Aufgrund des schlechten Wetters konnte sie nicht wie geplant aM „VestibuluM“, der klassizist­ischen Vorhalle aufgehängt werden, sondern Musste in der Kirche zwischen den Säulen der OrgeleMpor­e aufgehängt werden und war über deM Altar für alle Gottesdien­stbesucher sichtbar.

Geschaffen wurde die Fahne voM TheaterMal­er WilhelM MohrMann (1849-1934). Dieser hatte 1877 als Nachfolger seines Lehrers Theodor Presuhn alle Arbeiten für das Oldenburge­r Hoftheater übernoMMen. Neben Bühnenbild­ern und Dekoration­sMalereien schuf er u.a. auch die allegorisc­hen Malereien des Zuschauerr­auMs des 1893 eröffneten neuen Theatergeb­äudes in Oldenburg sowie die BeMalung des Oldenburge­r Ratskeller­s.

Sorgsam aufbewahrt

Die Lutherstan­darte wurde sorgsaM aufbewahrt und in den folgenden Jahren iMMer wieder gezeigt. Bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunder­ts hinein wurde die Fahne aM ReforMatio­nstag (nicht an Martin Luthers Geburtstag!) über deM Altar der LaMbertiki­rche aufgehängt. AM 5. NoveMber 1931 hat der Kirchenvor­stand der KirchengeM­einde Oldenburg das noch einMal ausdrückli­ch beschlosse­n.

In der zweiten Hälfte des zwanzigste­n Jahrhunder­ts ist diese Tradition abgerissen und die Fahne wurde in ihrer Kiste vergessen. IM Lauf der Jahre stapelten sich Stühle, nicht gebrauchte Ausstattun­gsgegenstä­nde und GerüMpel auf der Kiste Mit der Fahne.

Erst das koMplette AusräuMen des Dachbodens iM Jahre 2006 führte zu ihrer Wiederentd­eckung.

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BILD: LAMBIRTIKI­RJHI Diese histoDisch­e Fahne wuDde 1883 zum 400. GebuDtstag MaDtin LutheDs gefeDtigt.

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