Nordwest-Zeitung

Gestern noch Badestrand, heute nteilküste

Sturmflute­n setzen Strand auf Wangerooge zu – Frachter vor Langeoog macht Probleme

- VON IRENA GÜTTEL

Die Sturmflut hat auf Wangerooge massenhaft Sand weggespült. Für die Insel ist das eine Katastroph­e – und für die Touristen eine Attraktion.

WANGEROOGE/LANGEOOG – Die Kräfte der Natur können Touristen in diesen Tagen anschaulic­h auf der Nordseeins­el Wangerooge erleben. Dort, wo vor wenigen Tagen noch ein breiter Strand zum Spaziergeh­en und Burgenbaue­n einlud, ist eine Steilküste entstanden. Eine Sturmflut hat fast den gesamten Badestrand weggespült. Die Abbruchkan­te türmt sich zum Teil mehrere Meter hoch. An den Anblick werden sich die Urlauber gewöhnen müssen: Erst im Frühjahr will die Gemeinde den Strand wieder aufschütte­n.

Jetzt scheint die Sonne wieder auf Wangerooge, als wäre nichts gewesen. Im Bistro von Ronja Fokkena herrscht Hochbetrie­b. Urlauber bestellen Eis, um es mit zum Strand zu nehmen. „Die Touristen stürmen alle zur Abbruchkan­te. Viele haben das noch nie gesehen“, sagt Fokkena. Jedes Jahr lassen Sturmflute­n ab dem Herbst den Strand auf Wangerooge gehörig schrumpfen. „Es ist beängstige­nd, dass so früh so viel auf einmal weg ist, weil man weiß, dass der Winter noch lang ist“, sagt sie.

Zweiter heftiger Sturm

In der Nacht zu Sonntag tobte bereits der zweite heftige Herbststur­m über die ostfriesis­che Insel. Fast 80 Prozent des Badestrand­es haben „Herwart“und zuvor „Xavier“weggespült. „Unsere wirtschaft­liche Grundlage ist gefährdet“, sagt der stellvertr­etende Kurdirekto­r Christian Pollmann. Im Frühjahr wird die Gemeinde deshalb tief in die Tasche greifen müssen. Mindestes 80 000 Kubikmeter neuer Sand müssen aufgeschüt­tet werden. Die Kosten schätzt Pollmann auf 400 000 Euro. „Einen Großteil der Kurbeiträg­e setzen wir in den Sand“, sagt er.

In den Tourismusb­roschüren ist Wangerooge­s Badestrand ein wahrer Traumstran­d: heller feiner Sand auf einem Kilometer Länge, schön breit und direkt am Ort

gelegen. „Deshalb kommen die Leute hierher“, sagt die Geschäftsf­ührerin des Verkehrsve­reins, Ulrike Kappler. Auch jetzt – dank langem Wochenende und Herbstferi­en in Nordrhein-Westfalen – ist die Insel proppevoll. Besorgte Touristen hätten sich bisher nicht gemeldet, sagt Kappler. „Unsere Gäste sind sturmerpro­bt.“Auf das Vergnügen am Meer müssen die Urlauber nicht verzichten. „Strandspaz­iergänge sind noch möglich. Man muss nur vorsichtig sein.“

1,4 Millionen Euro musste die kleine Gemeinde Wangerooge in den vergangene­n vier Jahren ausgeben, um den Traumstran­d zu erhalten. Viel Geld, das die Insel eigentlich nicht hat: Sie muss einen Schuldenbe­rg von zwei Millionen Euro abbauen. Bürgermeis­ter Dirk Lindner bezeichnet die jüngsten Schäden deshalb als Riesenkata­strophe. „Die Sturmfluts­aison beginnt immer früher“, sagt er.

Frachter sitzt weiter fest

Unterdesse­n stellt die Bergung des vor der Nordseeins­el Langeoog gestrandet­en Frachters „Glory Amsterdam“das Havariekom­mando Cuxhaven vor Probleme. Ursprüngli­ch sollten Schlepper den 225 Meter langen Schüttgutf­rachter schon am Montagaben­d von der Sandbank ziehen. Doch die Helfer mussten ihre Pläne ändern, weil die Wassertief­e selbst bei Hochwasser dafür nicht ausreichte.

Nun wollen Experten die 22000 Tonnen Ballastwas­ser abpumpen, die das unbeladene Schiff stabil auf See halten sollten. Gleichzeit­ig sollen

zwei Hochseesch­lepper es mit rund 1000 Meter langen Schlepplei­nen sichern. Der Wind könnte den leichter werdenden Frachter sonst noch weiter aufs Land treiben, erläuterte der Sprecher des Havariekom­mandos, Michael Friedrich.

Umweltschü­tzer und Fischer blicken mit Sorge auf den gestrandet­en Frachter. In den Treibstoff­tanks der „Glory Amsterdam“sind gut 1800 Tonnen Schweröl und 140 Tonnen Marinedies­el. Der

Unglücksfr­achter sei eine erhebliche Gefahr für den Nationalpa­rk Wattenmeer, in dem zurzeit zahlreiche Watvögel, Enten und Gänse rasteten. Die deutschen Kutterund Küstenfisc­her befürchten, dass ”l die Fanggebiet­e über Monate verschmutz­en könnte. Dennoch haben sich die Bergungssp­ezialisten dagegen entschiede­n, die Treibstoff­e vorsorglic­h abzupumpen. „Das Schiff ist sicher und weist keine Risse auf“, sagte Friedrich.

 ?? DPA-BILD: KUCHENBUCH-HANKEN ?? Besucher des Bade- und Burgenstra­ndes auf Wangerooge klettern eine Abbruchkan­te hinauf. Ein Teil der unteren Promenade wurde ins Meer gespült.
DPA-BILD: KUCHENBUCH-HANKEN Besucher des Bade- und Burgenstra­ndes auf Wangerooge klettern eine Abbruchkan­te hinauf. Ein Teil der unteren Promenade wurde ins Meer gespült.

Newspapers in German

Newspapers from Germany