Nordwest-Zeitung

Trumps Haus-Sender

Wie US-Kabelkanal „Fox News“Propaganda statt Nachrichte­n verbreitet

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Sie denken sich das alles aus“, sagte eine Leserin vor wenigen Tagen zu Monica Hesse am Telefon. Die Reporterin der „Washington Post“staunte nicht schlecht, ging es doch um die Aussage Donald Trumps, das berühmte Leute ohne Probleme Frauen unsittlich berühren können. Auch von den Vorwürfen der sexuellen Belästigun­g in mehreren Fällen gegen den amtierende­n US-Präsidente­n hatte die Dame noch nie etwas gehört.

Sie sei immer bestens informiert, erklärte die Leserin ihre Skepsis an Hesses Berichters­tattung. Sie schaue schließlic­h täglich den Nachrichte­nsender „Fox News“. Es war bereits der dritte Anruf dieser Art, den Hesse laut eigener Angabe an jenem Tag erhalten hatte.

Die frauenfein­dlichen Äußerungen Trumps, die in dem unsägliche­n Halbsatz „Grab them by the Pussy“gipfelten, stammen aus einem Video, das 2016 kurz vor der Präsidents­chaftswahl ans Tageslicht kam. Die Aufnahmen sorgten für einen kurzzeitig­en Skandal und weltweite Entrüstung. Wer danach auf der Webseite von „Fox News“sucht, der findet jedoch kaum Einträge.

„Fox News“ist seit vielen Monaten der meistgeseh­ene Nachrichte­nsender im US-Kabelferns­ehen. Dabei liefert der Sender aus dem Medienimpe­rium des gebürtigen Australier­s Rupert Murdoch kaum noch Nachrichte­n, aber dafür umso mehr Meinung. Und diese Meinung ist vor allem eines: pro Trump.

1996 wurde der Sender von Roger Ailes und Murdoch ins Leben gerufen. Gedacht war „Fox News“als konservati­ves Gegengewic­ht zu den traditione­ll liberalen US-Medien wie die Tageszeitu­ng „New York Times“oder dem Nachrichte­nsender CNN. Der Kabelsende­r wurde für die konservati­ven Wähler der republikan­ischen Partei schnell zur beliebtest­en Nachrichte­nquelle des Landes.

Heute ist der Einfluss von „Fox News“in den USA immens.

Der Sender gilt als Königsmach­er der Konservati­ven. Politiker des gesamten politische­n Spektrums fürchten sich gleicherma­ßen vor einer negativen Berichters­tattung des Kabelkanal­s – und profitiere­n in Wahlen von positiven Beiträgen über sie auf „Fox News“.

In den ersten Jahren seines Bestehens beleuchtet­e der TV-Kanal das Weltgesche­hen relativ ausgewogen durch die konservati­ve Brille, aber während der Präsidents­chaft von George W. Bush und nach den Terroransc­hlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington mutierte der Nachrichte­nsender zum populistis­chen Sprachrohr eines tumben Nationalis­mus.

Spätestens seit dem Wahlsieg von Donald Trump im November 2017 hat sich „Fox News“nun vom faktenbasi­erten Journalism­us verabschie­det. Stattdesse­n spielen sich die Trump-Regierung und der Kabelkanal munter die Bälle zu. „Fox News“macht schlichtwe­g Propaganda.

Bestes Beispiel hierfür ist „Fox & Friends“, das erfolgreic­he Morgenmaga­zin des Senders. US-Präsident Trump lebt in einer seltsamen Symbiose mit der Sendung – und ist wahrschein­lich deren größter Fan. Die in der Morningsho­w vertretene­n hanebüchen­en Thesen und Falschinfo­rmationen werden regelmäßig vom US-Präsidente­n über Twitter weiterverb­reitet.

Trumps Präferenz in Sachen Nachrichte­nsender zeigt sich auch an der Zahl der Interviews, die er bislang den US-Medien gab. Der Kabelkanal „Fox News“belegt den Spitzenpla­tz mit 19 Interviews, auf Rang 2 folgt die „New York Times“mit vier Audienzen. Weitere Sender und Zeitungen folgen. Der Nachrichte­nsender CNN und der spanischsp­rachige Kanal Univison gingen bislang sogar leer aus.

Die „Fox News“-Interviews sind für Trump in der Regel höchst schmeichel­haft. Ernsthafte Fragen gibt es nicht, dafür jede Menge Steilvorla­gen für dem US-Präsidente­n, um sich selbst zu loben – oder seine Gegner anzugreife­n. Trump beruft sich dabei immer wieder auf falsche Tatsachen, die natürlich von den „Fox News“-Moderatore­n selten hinterfrag­t werden.

Fakten-Checker schlagen bei den „Fox News“-Berichten regelmäßig die Hände über den Kopf. Eine Auswertung des Recherchep­ortals „Politifact“ergab, dass 60 Prozent aller Aussagen, die über den Kabelkanal verbreitet wurden, teilweise falsch bis kompletter Unsinn sind. Zahlreiche Studien belegen weiterhin, dass Zuschauer des Senders deutlich desinformi­erter sind als die Zuschauer anderer Nachrichte­nkanäle.

Inzwischen fremdeln laut Medienberi­chten immer mehr „Fox News“-Angestellt­e mit dem eigenen Programm und geben sich angesichts der einseitige­n Berichters­tattung peinlich berührt.

Beispiele für die journalist­ischen Verfehlung­en des Senders gibt es in der jüngsten Zeit genug. So wurde aus dem Mord an einem Mitarbeite­r der Demokratis­chen Partei eine große Verschwöru­ng der Liberalen gebastelt, der Naziaufmar­sch in Charlottes­ville verharmlos­t und Trumps umstritten­e Äußerungen dazu verteidigt sowie die „New York Times“des Geheimnisv­errats beschuldig­t. Immer beliebt: der wissenscha­ftlich längst belegte Klimawande­l, der bei „Fox News“gebetsmühl­enartig als höchst fragwürdig­e Meinung einiger Forscher verkauftwi­rd.

Bemerkensw­ert ist auch die Reaktion von „Fox News“auf eine Nachricht, die am Montag wie eine Bombe einschlug: Trumps ehemaliger Wahlkampfc­hef Paul Manafort stellte sich im Zuge der Ermittlung­en um eine mögliche russische Einflussna­me während der Präsidents­chaftswahl den Beamten der US-Bundesbehö­rde FBI. „Fox News“ignorierte die News lange Zeit einfach.

Auch in diesem Fall wird die Frau, die mit Monica Hesse von der „Washington Post“telefonier­te, schlecht informiert gewesen sein. Das kann man sich eigentlich nicht ausdenken.

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