Nordwest-Zeitung

Keump für elf Minuten auf Twitter kaltgestel­lt

Racheakt eines Angestellt­en am letzten Arbeitstag – Viel Lob für Aktion in sozialen Netzwerken

- VON FRIEDEMANN DIEDERICHS, BÜRO WASHINGTON

Für Trump ist Twitter unentbehrl­ich geworden. Wer der Übel- oder – je nach Sicht – Wohltäter war, wollte das Unternehme­n nicht mitteilen.

WASHINGTON – Was macht ein Twitter-Angestellt­er an seinem letzten Arbeitstag beim Internet-Giganten, wenn er nichts mehr zu verlieren hat? Na klar. Er beleidigt nicht etwa den ungeliebte­n Vorgesetzt­en oder wirft im Zorn seinen Schreibtis­ch um. Sondern er schaltet kurzerhand und unauthoris­iert den mächtigste­n Mann der Welt ab, für den die Twitter-Nutzung zum täglichen Leben gehört wie für unverbesse­rliche Raucher die Morgenziga­rette. Elf Minuten lang, beginnend gegen rund 18.45 Uhr Ostküstenz­eit, fehlte US-Präsident Donald Trump am Donnerstag­abend plötzlich sein liebstes Verlautbar­ungs-Organ. Dann, kurz vor 19 Uhr, war „@realDonald Trump“wieder online, nachdemind­erTwitter-Zentrale in Kalifornie­n die ersten Alarmglock­en geschrillt hatten.

„Tut uns leid, diese Seite existiert nicht!“, hatten jene Nutzer während der Auszeit lesen müssen, die auf neue Philosophi­en Trumps gehofft hatten. Eine Stunde später trat Twitter dann mit einer falschen und irreführen­den Stellungna­hme an die Öffentlich­keit: Der Account des Präsidente­n sei „versehentl­ich“deaktivier­t worden, schuld sei ein „menschlich­er Irrtum eines Angestellt­en“. Doch Kann Twitter wieder nutzen: Donald Trump

weitere zwei Stunden später, als der Präsident längst wieder in Sachen Steuerrefo­rm Kurzmeldun­gen verschickt­e, war die Wahrheit nicht länger zu verbergen. Twitter räumte ein, eine vorläufige Untersuchu­ng habe ergeben, dass dies der bewusste Akt eines Mitarbeite­rs an seinem letzten Tag im Hause gewesen sei. Wer denn der – je nach politische­m Standpunkt – Übel- oder Wohltäter war, wollte das Unternehme­n nicht mitteilen. Auch hielt sich Twitter dazu bedeckt, wer denn die Abschaltun­g prominente­r Konten absegnen muss und welche Kontrollin­stanzen eingebaut sind.

Die „Washington Post“berichtete, nur wenige hundert Angestellt­e hätten die Vollmacht, Konten der obersten Zehntausen­d – von Trump bis zu den Kardashian­s – im Notfall auf Eis zu legen oder ganz zu deaktivier­en. Twitter-Nutzer jedenfalls konnten sich sarkastisc­he Bemerkunge­n zu dem bisher beispiello­sen Akt eines unkontroll­ierbaren Angestellt­en nicht verkneifen. „Lieber Twitter-Mitarbeite­r“, schrieb beispielsw­eise ein „Ted Lieu“, „Du hast Amerika für elf Minuten

besser fühlen lassen. Schick mir eine Nachricht und ich kauf Dir eine Pizza.“Andere nahmen das Thema ernster – und stellten die Sicherheit­svorkehrun­gen bei Twitter in Frage: „Was, wenn diese Person über einen fiktiven Atomschlag Nordkoreas getweetet hätte?“, fragt ein Nutzer.

Für Trump ist Twitter unentbehrl­ich geworden: Seit der Einrichtun­g seines Kontos im Jahr 2009 hat er mehr als 36 000 Kurznachri­chten abgesetzt und kann über 41 Millionen Menschen aufweisen, die ihn dort verfolgen. Der USPräsiden­t nutzt Twitter immer wieder zum Formuliere­n wichtiger politische­r Positionen – und prägte dort unter anderem den Begriff „Raketenman­n“für Nordkoreas Diktator Kim Jong Un. Auch warnte Trump Nordkorea vor einem Gegenschla­g der USA. Freitagmor­gen – vor dem Abflug zu seiner Asienreise – zeigte Trump erneut, wie wichtig Twitter für ihn ist. Er forderte das FBI und die USJustiz auf, sich endlich HillarO Clinton zu widmen. Zuvor war durch das Geständnis von ExParteich­efin Donna Brazile – früher eine enge Clinton-Verbündete – bekannt geworden, wie die Demokratin durch Mauschelei­en innerhalb ihrer Partei den lästigen Mitbewerbe­r Bernie Sanders erfolgreic­h benachteil­igt hatte.

„Du has Amerika für elf Minu en besser fühlen lassen. Schick mir eine Nachrich und ich kauf Dir eine Pizza.“

 ??  ??
 ?? DPA-BILD: HARNIK ??
DPA-BILD: HARNIK

Newspapers in German

Newspapers from Germany