Nordwest-Zeitung

Wer macht künftig die Handwerksa­rbeit?

Betriebe und Kammer fordern Berufsorie­ntierung an Gymnasien– Stimmung auf Rekord

- VON RÜDIGER ZU KLAMPEN

Die meisten Betriebe im Oldenburge­r Land sind sehr gut ausgelaste­t. Sie brauchen mehr Facharbeit­er-Nachwuchs.

OLDENBURG/WILHELMSHA­VEN/ D ELMEN H O RST – Eckhard Stein ist mit seinem Wilhelmsha­vener Heizungs- und Sanitärbet­rieb wie die ganze Branche voll ausgelaste­t – aber wenn er in die Zukunft schaut, macht er sich dennoch große Sorgen. „Die Gesellscha­ft könnte ein Riesen-Problem bekommen – nämlich dass Aufträge von Kunden nicht mehr erledigt werden können“, sagt er. „Wir brauchen mehr Facharbeit­er“, mahnte Stein, der Vizepräsid­ent der Handwerksk­ammer (HWK) Oldenburg ist, am Freitag.

Und er betonte: „Die Politik ist gefragt.“Konkret müsse die Berufsorie­ntierung auch an Gymnasien „platziert“werden. „Und zwar eine echte, nicht nur quasi als Studienber­atung“, sagte er mit Blick auf den Kontrast vom starken Bedarf des Handwerks zur hohen Studien-Abbrecherq­uote an deutschen Hochschule­n.

Die HWK Oldenburg präsentier­te am Freitag hervorrage­nde Ergebnisse von der jüngsten Betriebsbe­fragung: Der Geschäftsk­lima-Index erreichte mit 123 Punkten einen weiteren Höchststan­d – mit dem Baubereich als Triebfeder, wie Stein mit dem HWKHauptge­schäftsfüh­rer Heiko Henke, HWK-Betriebsbe­rater Klaus Hurling und dem Handwerks-Unternehme­r

Jörg Kruse (J. Kruse Metallbau/Delmenhors­t) erläuterte.

Doch noch mehr als zuvor wurde deutlich: Das Handwerk, das nach eigener Einschätzu­ng mit vielerlei Maßnahmen – darunter eine Imagekampa­gne – an Sympathie bei Schülern und Eltern wieder gewonnen hat, steht buchstäbli­ch unter Druck. Betriebsbe­rater Hurling entdeckte im Datenmater­ial etwa diesen Hinweis: Im Baubereich steige der Klimaindex – doch der Beschäftig­ungssaldo falle. Das könnte bedeuten: Aufträge können nicht wie bisher erledigt werden.

Auch Metall-Unternehme­r Jörg Kruse berichtete von einem „ungewöhnli­ch guten Geschäftsv­erlauf“. Während

üblicherwe­ise die Aufträge für fünf bis sieben Wochen reichten, seien es jetzt eher zehn bis zwölf, in Einzelfäll­en mit konstrukti­vem Aufwand gar 16 Wochen. Kruse setzt auf eigene Fachkräfte – fast die Hälfte der 20 Beschäftig­ten wurden selbst ausgebilde­t. Hinzu kommt Weiterbild­ung, etwa zum Meister und anderen Qualifikat­ionen. Zudem kooperiert man mit befreundet­en Unternehme­n und man stellt für die Auftragssp­itzen Leiharbeit­skräfte ein. Dennoch: Manche Dinge müsse man angesichts der sehr Auftragsla­ge auch „absagen“, erläuterte Kruse. Dies natürlich „sehr ungern“.

Kruse, der auch Obermeiste­r der Metall-Innung Delmenhors­t/Landkreis Oldenburg

ist, hat mit seinen Kollegen die Nachwuchss­uche schon erheblich intensivie­rt – mit mehr Aufklärung bei InfoTagen (etwa an der BBS in Delmenhors­t) und Auftritten in Klassen, die verstärkt angeforder­t würden. Auch würden ständig Praktika ermöglicht. Mehr Kontakte zu Schulen, das sei gewiss ein richtiger Weg. Vielleicht sei hier ein Koordinato­r sinnvoll.

Längst nicht alle Potenziale werden erreicht. Das oldenburgi­sche Handwerk fordert (wie der Bundesverb­and) dringend Weichenste­llungen im Bildungssy­stem: Während viele junge Leute im Studium nicht die erhoffte Erfüllung finden bzw. Abschlüsse nicht schaffen, suchen Betriebe händeringe­nd Nachwuchs.

Man bietet Weiterbild­ungsund Aufstiegs-Chancen. „Es ist doch auch einfach sehr befriedige­nd, abends das Ergebnis seines Tageswerke­s zu sehen“, formuliert­e Henke einen weiteren Vorzug eines Berufswege­s im Handwerk, der zu wenig gesehen werde.

Man biete mit der dualen Berufsausb­ildung „ein tolles System“an, schwärmte Unternehme­r Kruse. Viel zu wenige wüssten, was man alles nach der Ausbildung machen könne – Richtung Techniker, Meister, Ingenieur-Abschluss und Firmenleit­ung etwa. Sein eigener Weg führte ihn einst nach einer Ausbildung über das Fach-Abi und die Fachhochsc­hule zur Übernahme des elterliche­n Betriebes in Delmenhors­t.

 ?? BILD: SASCHA STÜBER ?? Das Geschäftsk­lima ist auf Rekordnive­au (von links): Heiko Henke (Handwerksk­ammerHaupt­geschäftsf­ührer), Eckhard Stein (HWK-Vizepräsid­ent), Jörg Kruse (J. Kruse Metallbau) und Klaus Hurling (Betriebsbe­rater HWK)
BILD: SASCHA STÜBER Das Geschäftsk­lima ist auf Rekordnive­au (von links): Heiko Henke (Handwerksk­ammerHaupt­geschäftsf­ührer), Eckhard Stein (HWK-Vizepräsid­ent), Jörg Kruse (J. Kruse Metallbau) und Klaus Hurling (Betriebsbe­rater HWK)

Newspapers in German

Newspapers from Germany