Nordwest-Zeitung

„Akute Gefahr für Weltfriede­n“

Biograf David C. Johnston zieht ein Jahr nach Trumps Wahl Bilanz

- VON TOBIAS SCHMIDT, BÜRO BERLIN

FRAGE: Herr Johnston, Sie haben nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidente­n vor genau einem Jahr vor dem Beginn eines Albtraums gewarnt. Sehen Sie sich heute bestätigt+ JOHNSTON: Es ist schlimmer gekommen als befürchtet. Trump hat sich als völlig unberechen­bar erwiesen, weil er absolut keine politische Erfahrung hat und noch immer nicht versteht, wie in den USA verfassung­sgemäß regiert wird. Er meint, der Kongress und die Gerichte seien ihm unterstell­t. Er umgibt sich mit Gefolgsleu­ten, die die Axt ans amerikanis­che politische System legen wollen. FRAGE: HatDonaldT­rumpdie USA schon verändert+ JOHNSTON: Es ist offen, ob Trump ein „Ausrutsche­r“ist und nach kurzer Zeit wieder verschwind­en wird, ohne tiefe Spuren zu hinterlass­en. Erst bei der nächsten Präsidents­chaftswahl 2020 werden wir sehen, ob er das Land radikalisi­ert und dauerhaft gespalten hat. Die Gefahr ist hoch. Sein Sieg vor einem Jahr hat zwar viele Mitte- und Linkspolit­iker aufgeschre­ckt. Doch eine eigene Führungsfi­gur haben sie ebenso wenig hervorgebr­acht wie einen politische­n Anti-Trump-Plan. Sie sammeln sich hinter der Idee des Widerstand­s. Aber so lange die Demokraten nur sagen, wogegen sie sind, und keine eigene Zukunftsvi­sion vorlegen und vertreten, bleiben sie chancenlos. FRAGE: Derzeit hält sich der Präsident in Asien auf, am Dienstag rief er von Seoul aus Pjöngjang zu Verhandlun­gen 0ber das Atomprogra­mm auf. Wird es Trump gelingen, den Nordkorea-1onflikt zu entschärfe­n+ JOHNSTON: Im Gegenteil:

Trumps Asien-Reise scheint Teil einer gezielten Provokatio­nsstrategi­e. Im Wahlkampf hat er erklärt, er werde „selbstvers­tändlich“Atomwaffen einsetzen. Nun will er Pjöngjang zu einer Reaktion reizen, um seine Ankündigun­g umzusetzen und einen Atomschlag gegen Nordkorea zu rechtferti­gen. 25 Millionen Menschenle­ben in dem Gefängnis-Staat sind bedroht, und die USA würden zum Schurkenst­aat. Für mich ist Donald Trump eine akute Gefahr für den Weltfriede­n. Auch im Nahen Osten richtet er Verheerend­es an: Er hat SaudiArabi­en für den Kampf gegen den Terrorismu­s gelobt, dabei sind es die Saudis, die mehr Terroriste­n als alle anderen Länder finanziere­n. Ihm fehlt es schlicht am Grundwisse­n, um weise Entscheidu­ngen zu treffen. FRAGE: 2ehen Sie davon aus, dass Trump im Jahr 3434 wieder antritt+ JOHNSTON: Es ist klar, dass Trump bei der nächsten Wahl wieder antritt. Er hat schon mit dem Sammeln von Wahlkampfs­penden begonnen, obwohl seine Wahl erst ein Jahr zurücklieg­t. Auch damit bricht er alle Regeln. Die Quelle seiner Macht sind die Wahnvorste­llungen der Republikan­er, die Propaganda­sendern und -Webseiten wie Fox, Breitbart und InfoWar folgen und behaupten, die Eliten seien von „interdimen­sionalen Wesen“unterwande­rt. Die Medien verbreiten massenhaft Fake News, und die Leute gehen ihnen massenweis­e auf den Leim. Solange mehr als die Hälfte der Republikan­er an Trump glauben und seine Trickbetrü­gereien nicht durchschau­en, solange können sich die Republikan­er im Kongress nicht gegen ihn erheben, ohne die eigene politische Karriere zu zerstören.

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