Nordwest-Zeitung

Solide Handwerker statt schlechte Akademiker

Niedersäch­sischer Philologen­tag in Goslar – Immer mehr junge Menschen studieren

- VON MATTHIAS BRUNNERT

GOSLAR – Angesichts fehlender Fachkräfte im Handwerk hat Niedersach­sens Landtagspr­äsident Bernd Busemann vor einer „zunehmende­n Akademisie­rung“der Gesellscha­ft gewarnt. Während immer mehr Handwerksb­etriebe und Mittelstän­dler darüber klagten, dass sie keine Mitarbeite­r fänden, hätten viele Bildungspo­litiker den Ehrgeiz, die Abiturient­enzahlen immer weiter zu steigern, sagte Busemann am Dienstag beim niedersäch­sischen Philologen­tag in Goslar. „Der volkswirts­chaftliche Schaden dieser Entwicklun­g ist schon da.“

Schon die Grundannah­me, dass nur akademisch­e Bildung den Weg zu gesellscha­ftlicher Anerkennun­g öffne, sei falsch, sagte der Landtagspr­äsident. Den Betrieben fehlten „Einsteiger in Berufsausb­ildungen“. Dazu bräuchten sie keine leistungss­chwachen Akademiker, sondern begabte Praktiker mit solider Schulbildu­ng.

Dass immer mehr junge Menschen studierten, sei angesichts der Abbrecherq­uoten von bis zu 40 Prozent „eine schlimme bildungspo­litische Fehlentwic­klung“, sagte Busemann unter dem Beifall der Delegierte­n. „Wer immer höhere Abiturient­en-Quoten erreichen will, muss das Niveau im Unterricht und bei Prüfungsle­istungen immer weiter absenken.“

Beim Philologen­verband, in dem vor allem Gymnasiall­ehrer organisier­t sind, traf Busemann auf große Zustimmung. Weil immer mehr junge Menschen das Abitur ablegen sollten, seien die Anforderun­gen mittlerwei­le so weit gesunken, dass die Reifeprüfu­ng vielfach zu einem „Abitur ohne Verkehrswe­rt“geworden sei, sagte der Verbandsvo­rsitzende Horst Audritz. Die hohen Studienabb­recher-Zahlen seien ein alarmieren­des Zeichen.

Das Land brauche Gymnasien, „um Nachwuchs für hoch spezialisi­erte akademisch­e Laufbahnen heranzuzie­hen“, forderte der Landtagspr­äsident. Auch seien gleichwert­ige berufsvorb­ereitende Schulforme­n erforderli­ch.

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