AUF DEN SPUREN EINES SOLDATEN
Deutsch-englische Freundschaft wird fortgeführt
Ein Oldenburger besuchte den Ort, an dem sein Großonkel im Krieg umgekommen ist. Er beobachtete die unterschiedlichen Erinnerungskulturen der Deutschen und Engländer.
OLDENBURG/YPERN – Der Oldenburger Frank Mühlenstedt hat sich zusammen mit Familienmitgliedern und Freunden aus England am 11. August dieses Jahres zum Nordrand des Nonnebos – ein Waldstück in der Nähe von Ypern in Belgien – aufgemacht. Frühmorgens standen sie dort, wo vor genau 100 Jahren Mühlenstedts Großonkel, der deutsche Leutnant Hermann Naumann, und der Engländer John Dunford bei der 3. Flandernschlacht im Ersten Weltkrieg starben.
Puzzleteile verbinden
Seit 1990 beschäftigt sich der Oldenburger mit der Schlacht in Ypern. Zunächst konzentrierte er sich auf Anfragen bei Archiven und Bibliotheken. Bei einer GoogleSuche nach dem 11. August 1917 und dem Stichwort „Nonnebos“stieß der 61-jährige Lehrer schließlich auf die Engländerin Dorothy Mountford, eine Schulleiterin aus Nottingham. Ihr Großvater, John Dunford, und der deutsche Leutnant, der in Brake aufgewachsen war, standen sich in Belgien als Feinde gegenüber.
„Diese Teile sind wie ein Puzzle für mich“, begründet der Oldenburger sein Interesse an der Vergangenheit. Er wollte herausfinden, was genau damals los war. Viele Briefe von seinem Großonkel, Postkarten, Informationen von Mountford und eine große Holzkiste mit den letzten Habseligkeiten von Naumann bildeten die Puzzleteile und ergeben jetzt ein großes Ganzes.
Besuch zweier Friedhöfe
Bei einer Gedenkfeier im Jahr 2007 trafen sich Mühlenstedt und Mountford zum ersten Mal. Vier Jahre später besuchte die Engländerin Oldenburg. Und jetzt kamen sie zum 100. Jahrestag wieder zusammen. „Da merkt man nichts von Feindschaft, sondern eher das, was verbindet“, sagte er.
Am gleichen Tag besuchten sie auch den deutschen Friedhof in Langemarck sowie den englischen Friedhof Tyne Cot. Bei seinem diesjährigen Besuch beschäftigte sich Mühlenstedt besonders mit der Erinnerungskultur der Briten und der Deutschen: In Langemarck fand der Oldenburger einen Friedhof für 44 000 tote deutsche Soldaten vor. Ein Massengrab mit etwa 25 000 Toten und nur wenige dunkle Grabsteine waren dort vorhanden. Auf Mühlenstedt Puzzleteile zusammenfügen: Frank Mühlenstedt bei der Recherche zu seinem Großonkel. Der Friedhof Langemarck in Belgien.
wirkte der Friedhof dunkel, es herrscht eine düstere Atmosphäre und vermittelte Besuchern das Gefühl des Verlorenseins, sagte er. Er hatte zudem nur wenige Deutsche angetroffen, überwiegend Besucher aus England, Australien und Neuseeland waren auf dem deutschen Friedhof.
Tyne Cot hingegen wirkte mit etwa 12 000 Einzelgräbern auf den Oldenburger hell, fast freundlich und trotzdem feierlich. Überall waren Kreuze mit Mohnblumen – sogenannte „Poppies“– aus Kunststoff, erzählte Mühlenstedt. Darauf stehen die Namen und individuelle Botschaften wie
zum Beispiel: „Du bist nicht vergessen“, „Dein Tod war nicht umsonst“. „Ich will nicht sagen, dass das eine besser ist als das andere.“Es ist einfach eine andere Erinnerungskultur.
Fest steht schon jetzt, dass sich Mühlenstedt und Mountford in fünf Jahren wieder beim Waldstück Nonnebos treffen wollen. „Poppies“schmücken den Friedhof Tyne Cot.
An diesem Freitag
tragen beim Länderspiel Deutschland gegen England beide Mannschaften „Poppy“-Armbinden, um an die gefallenen Soldaten zu erinnern.