Nordwest-Zeitung

Trump twittert, Xi lenkt

Wie der US-Präsident seinem chinesisch­en Kollegen auf den Leim geht

- VON ANDREAS LANDWEHR UND MARTIN BIALECKI

PEKING – Auf dem frisch gefegten roten Teppich vor der gewaltigen Großen Halle des Volkes sind die harten Themen dieses Besuches ganz weit weg. Salutschüs­se donnern in den kühlen Morgen über dem Platz des Himmlische­n Friedens, Säbel blitzen beim Salutieren, Lederstief­el knallen in beklemmend­er Präzision, rote Fahnen wölben sich mit der US-Flagge in einer Brise.

Xi Jinping fährt das breite Arsenal militärisc­her Ehren auf. Donald Trump mag so etwas sehr, ist beeindruck­bar von Pomp und Show. Ganz Mensch des Zeitalters der Bilder, wird der US-Präsident in Peking Teil einer gigantisch­en Inszenieru­ng seines chinesisch­en Kollegen. Der selbst ernannte riesengroß­e Dealmaker Trump denkt an sich, der kühle Stratege Xi an die Zukunft, den „chinesisch­en Traum“vom Aufstieg zur Weltmacht.

In Peking stehen astronomis­che Summen unterzeich­neter Abkommen im Raum, man spricht von mehr als 250 Milliarden US-Dollar. Xi ist zufrieden über die Aufführung. Er hat dem „Geschäftsm­ann“Trump geliefert, was der haben und seinen Wählern zuhause präsentier­en wollte: „Arbeitskrä­fte schaffende Abkommen!“, wie Trump glücklich verkündete. Aber der Schein trügt leicht.

Einiges ist echt, anderes nur Show. Vage Absichtser­klärungen, Rahmenabko­mmen, Kooperatio­nspläne, die mit „kreativer Buchhaltun­g“zu potenziell­en dreistelli­gen Milliarden­summen hochgerech­net werden. „Ein Besuch im alten Stil“oder „klassische chinesisch­e Taktik“, lauten Reaktionen von Kennern.

Auch deutsche Regierungs­chefs – von Helmut Kohl über Gerhard Schröder bis Angela Merkel – haben ihre ChinaBesuc­he einst damit geschmückt. Da wurden Airbusse gleich drei-, viermal verkauft. Erst den Franzosen, dann den Deutschen. Erst als Kaufabsich­t, dann bei der Bestellung. Die Kanzlerin hat das Spiel längst durchblick­t, verzichtet immer häufiger auf Unterzeich­nungszerem­onien.

Auch bringen Handelsabk­ommen vielleicht erstmal das Defizit im Warenausta­usch herunter, wirken aber nur kurzfristi­g. Langfristi­g bringen nur Marktöffnu­ng, Abbau von Investitio­nshürden und Subvention­en, freie Ausschreib­ungen und Rechtssich­erheit die Geschäfte voran. Stichwort: gerechte Wettbewerb­sbedingung­en.

Statt aber mit den Europäern gemeinsam Front zu machen, blickt Trump nicht über den Tellerrand. Stattdesse­n: „America First.“Vorstöße der Europäer, gemeinsam auf Marktöffnu­ng in China zu dringen, stießen bei Trumps Beratern „auf taube Ohren“, heißt es.

„Hier wird alles nur schwerer“, klagen ausländisc­he Manager. „Da öffnet sich nix.“Der Parteikong­ress gab jetzt auch noch „Zurück in die Zukunft“als Wirtschaft­skurs vor: „Mehr Staat, weniger Markt.“

Die Chinesen verhandeln ohnehin am liebsten bilateral, spielen die Handelspar­tner gegeneinan­der aus, kritisiere­n Diplomaten. Geschickt nutzten sie das offene Welthandel­ssystem aus, hielten ihre zweitgrößt­e Volkswirts­chaft aber weiter verschloss­en.

Jetzt ist ihnen auch noch Trump auf den Leim gegangen, der Präsident der größten Volkswirts­chaft. In den USA war schon vor der Reise befürchtet worden, dass Donald Trump gar nicht merkt, wie geschickt er eingeseift wird. Prompt kann er in Peking seine Bewunderun­g für den „starken Mann“Xi Jinping nicht verhehlen.

Für Xi ist diese Verbeugung vor Chinas Autokratie „konstrukti­v, produktiv“. China und die USA hätten „viel mehr gemeinsam“, als sie trenne. In der Tat: Dass Xi nach seinem Statement keine Fragen zulässt, war zu erwarten. Dass aber Trump es auch nicht tut, war neu. „Mr. President“, ruft eine US-Journalist­in, „keine Fragen? Würden Sie heute immer noch wiederhole­n, dass China die USA vergewalti­gt?“Schweigend gehen die Staatenlen­ker ab, einander in ihrer Sicht auf kritische Medien gar nichtsounä­hnlich.

Trump dürfte die Station China als weitere Krönung seines wirtschaft­lichen Verhandlun­gsgeschick­s ausschlach­ten. Aber: Wenn Trump das Weiße Haus verlassen wird, sei es nach vier oder nach acht Jahren, dann wird Xi die Geschicke seines Landes noch immer bestimmen. Er denkt in größeren Zeiträumen.

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