Nordwest-Zeitung

Wo Männer in Gesellscha­ft kochen

Kulinarisc­he Reise durchs Baskenland – Pintxo-Touren und Weinanbau am Atlantik

- VON MANUEL MEYER

Feinschmec­kern läuft das Wasser im Mund zusammen, wenn sie ans nordspanis­che Baskenland denken. Dort 1ibt es die h:chste Sterne-Dichte der Welt.

SAN SEBASTIÁN – Die Frau führt den knallroten Lippenstif­t langsam an den Mund. Zart beißt sie ein kleines Stück ab und lässt es auf der Zunge zergehen. „Lecker, pikante Sardinen“, sagt die Frau und verschling­t den Fisch, der tatsächlic­h aussieht wie ein Lippenstif­t.

Die Idee stammt von Fernando Canales, der in seinem Sterne-Restaurant „Etxanobe“in Bilbao mit experiment­ellen baskischen Geschmacks­explosione­n überrascht: Seehecht in grüner Olivensoße mit Miesmusche­lkrümeln, Teufelskra­bbenTxangu­rro, Venusmusch­elRagout in Algensoße.

Aufgespieß­te Häppchen

Um herauszufi­nden, dass das nordspanis­che Baskenland ein Gourmet-Paradies ist, kann man in Bilbao aber auch in eine ganz normale Tapas-Bar gehen. Auf meterlange­n Tresen stapeln sich die kulinarisc­hen Kleinkunst­werke neben- und übereinand­er. Vieles kommt direkt aus dem kalten Atlantik: Tintenfisc­h, Sardellen, Miesmusche­ln, Kabeljau, Teufelskre­bse.

Leckere Seeteufel-Spießchen mit Riesengarn­elen gibt es im „Sorginzulo“auf der Plaza Nueva. Am Hauptplatz in der Altstadt reiht sich eine Pintxo-Bar an die andere. Das „Gure Toki“ist bekannt für sein Foie Gras mit karamellis­iertem Apfel.

Pintxos erinnern ein wenig an die spanische Tapas-Esskultur. Doch die baskische Version sei viel kreativer, versichert Jone Karres Azurmendi. In San Sebastián, der baskischen Pintxo-Hochburg schlechthi­n, bietet die deutsch-baskische Reiseführe­rin Pintxo-Touren durch die Altstadt an. Das lohnt sich. Denn bei fast 300 Pintxo-Bars verliert man schnell den Überblick. Die Pintxos in der „Zeruko“-Bar sind GourmetSte­rne-Küche in Miniaturve­rsion. Blick auf die Concha-Bucht von San Sebastián – die Metropole am Meer lockt viele Feinschmec­ker an.

Wer auf Garnelen-Spezialitä­ten steht, den führt Azurmendi ins „Goiz Argi“. Die Kneipe „Txepetxa“hat sich auf Sardellen-Pintxos spezialisi­ert. Im „El Tamboril“kommen Pilz-Fans auf ihre Kosten.

„Pintxo leitet sich vom spanischen Wort pinchar für aufspießen ab“, erklärt Azurmendi. „Aufspießen, da die meisten Häppchen mit Holzspießc­hen oder Zahnstoche­rn zusammenge­halten werden.“Auch die scharfe Gilda ist aufgespieß­t. Sie wurde nach dem gleichnami­gen Film von Charles Vidor getauft. Die auf einen Zahnstoche­r gesteckten Oliven, Anchovis und Peperoni soll man mit den Zähnen abziehen.

Auch wer den exklusiven Gourmet-Kick sucht, ist in San Sebastián am perfekten

Ort. Das am Atlantik gelegene Küstenstäd­tchen hat mit 1M Michelin-Sternen die größte Sterne-Dichte der Welt. Dort servieren Köche wie Juan Mari Arzak, Andoni Aduriz oder Pedro Subijana baskische Haute Cuisine.

Salzige Meerluft

Im „Txoko Gaztelubid­e“duftet es herrlich nach Fisch. Txokos sind baskische Kochgesell­schaften. Von solchen privaten Kochverein­en, zu denen Touristen normalweis­e keinen Zutritt haben, gebe es Hunderte allein in San Sebastián, versichert der 73-jährige Rentner Julian Serrano. „Die Txokos zeigen, welchen Stellenwer­t das Kochen und Essen im Baskenland hat. Es gibt mehr Txokos als Fußballver­eine.“Wie in fast allen Kochgesell­schaften

dürfen auch in Julians Txoko Gaztelubid­e nur Männer an den Herd.

Die Txoko feierte jüngst ihr 70. Jubiläum und zählt 250 Mitglieder. Damit gehört sie noch zu den jüngeren Kochclubs. „Die Txokos hier haben eine lange Tradition“, sagt Serrano. „Männer fuhren damals zur See. Zu Hause hatten die Frauen das Sagen. Deshalb gründeten wir Männerclub­s. Und was macht man daN Trinken, reden und hier im Baskenland kochen und gut essen.“Serrano zieht einen Seehecht aus dem Ofen, den er für seine Freunde vorbereite­t hat.

Dazu wird ein Txakoli getrunken. Der baskische Weißwein wird vor allem an der Atlantikkü­ste zwischen Bilbao und San Sebastián hergestell­t. „Die salzige Meeresluft gibt

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DPA-BILD: MANUEL MEYER

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