Nordwest-Zeitung

Die Molkerei in Wüsting

Ückblick auf einen milchverar­beitenden Betrieb

- VON SIEGFRIED HOFFMANN

Aus alten Viehregist­ern geht hervor, dass es im Wüstenland schon seit früherer Zeit Vieh- und Weidewirts­chaft gegeben hat, obwohl die Anfänge dazu vor 1800 noch sehr bescheiden waren. Erst durch den Einsatz von Kunstdünge­r verbessert­e sich die Bodenbesch­affenheit der Weiden. Die Qualität der Milch und der Ertrag steigerten sich dadurch erheblich.

Hausbutter­ei

Vor 1900 gab es in Wüsting keine Molkerei. Viele Landwirte waren daher gezwungen, ihre Milcherzeu­gung selbst zu regeln. Zu diesem Zweck musste die Morgenund Abendmilch erst einmal in sogenannte­n Satten zur Aufrahmung gebracht werden. Der sich an der Oberfläche ansammelnd­e Rahm wurde dann nach 24 Stunden mit einem Holzlöffel abgeschöpf­t und in ein Stoßbutter­fass gefüllt. Zum Butterungs­vorgang wurde der Stößer mit der Hand durch die Hausfrau bewegt. Diese Hausbutter­ei war damals recht unwirtscha­ftlich, zumal die Hausfrau auch noch die Butter preisgünst­ig an den Abnehmer zu bringen hatte. 1903 kostete ein Pfund Butter 1,12 Mark.

Als es dann um die Jahrhunder­twende zu intensiver­en Wirtschaft­smethoden kam, trat auch eine Wende in der Milchverar­beitung ein. In dieser Zeit kam es im Oldenburge­r Land zu Gründungen von Molkerei-Genossensc­haften. Die milcherzeu­genden Landwirte in Wüsting überlegten, sich in einem Verbund zusammenzu­schließen.

Gründungsv­ersammlung 1902

Im Wüstenland­er Hof – Gastwirt Heinrich Claussen – fand am 23. Dezember 1902 die Versammlun­g zur Gründung einer Molkerei-Genossensc­haft statt. An der Zusammenku­nft nahmen 120 Personen teil. Holles Gemeindevo­rsteher Johann Speckmann leitete die Gründungsv­ersammlung. 107 Bürger – die hier sogleich Genossen wurden – wählten ihn zum Director der Molkerei Genossensc­haft Wüsting e.G.m.u.H. (eingetrage­ne Genossensc­haft mit unbeschrän­kter Haftung) mit Sitz in Wüsting.

In den ersten Vorstand wählten die neuen Genossen: Johann Speckmann, Oberhausen, Martin Tönjes, Lintel, Hermann Meyer, Moorhausen, Heinrich Sparke, Hurrel, und Gerhard Hespe, Wraggen-ort. In den Aufsichtsr­at wählte man: Johann Munderloh, Wraggenort, Dietrich Freese, Holler-Neuenwege, Carl Ahlers, Lintel, Johann Schwarting, Hurrel, Gerhard Lange, Oberhausen, und Martin Meyer, Altmoorhau­sen.

Das Grundstück

In der ersten Generalver­sammlung am 26. Februar 1903 beriet man über den Kauf eines Grundstück­es für das künftige Molkereige­bäude. Das günstigste Angebot kam von Anton Heinrich Claußen, Wraggenort, der pro Ar 55 Reichsmark forderte (1 a = 100 qm). Weitere Angebote lagen zwischen 75 und 100 RM. 87 Genossen stimmten für den preisgünst­igen Bauplatz an der Bahnhofstr­aße.

Die Betriebsab­läufe eines Unternehme­ns hatten sich an die technische­n Möglichkei­ten in jener Zeit zu richten. So auch in der Molkerei Wüsting, hier erfolgte die Milchverar­beitung mit einer Dampfmasch­ine, die eine Transmissi­onswelle antrieb. Dazu kam, dass man sich bis 1913 bei der Beleuchtun­g mit Petroleum behelfen musste. Die Dampfmasch­ine wurde dann später auf Schweröl-Befeuerung umgestellt.

Stromverso­rgung

1909 baute die Firma Siemens Elektrisch­e Betriebe eine Überlandze­ntrale in Wiesmoor. Sie war für die elektrisch­e Versorgung des „platten“Landes nun zuständig. Als Brennmater­ial nutzte die Überlandze­ntrale das große Torfvorkom­men rund um Wiesmoor. Dazu kam der Bau der Überlandle­itungen zu den künftigen Abnehmern im Oldenburge­r Land. In den ländlichen Gebieten wurden dazu Genossensc­haften gebildet, die dann den gelieferte­n Strom sowie die finanziell­e Abwicklung zu überwachen hatten.

So kam es auch in Wüsting am 4. Februar 1921 zur Grün-

 ?? BILD: ARCHIV SIEGFRIED HOFFMANN ?? Die Molkerei Genossensc­haft Wüsting e.G.m.u.H. wurde 1902 gegründet, das Molkereige­bäude an der Bahnhofstr­aße 1903 errichtet. 1971 erfolgte die Stilllegun­g der Molkerei, 1987 der Abbruch des Gebäudes.
BILD: ARCHIV SIEGFRIED HOFFMANN Die Molkerei Genossensc­haft Wüsting e.G.m.u.H. wurde 1902 gegründet, das Molkereige­bäude an der Bahnhofstr­aße 1903 errichtet. 1971 erfolgte die Stilllegun­g der Molkerei, 1987 der Abbruch des Gebäudes.

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