Nordwest-Zeitung

Was ist los mit den Pilzen?

Die Pilzmüc e lie !ie R"#$li%&e

- VON GÜN8ER BRÜNING

Was ist los mit den Pilzen? Diese Frage beschäftig­te mich beim Putzen der ansehnlich­en Beute. Steinpilze in großer Zahl und Pfifferlin­ge. Die Pfifferlin­ge fielen wie immer aus dem Rahmen, denn sie waren innen und außen sauber und frei von irgendwelc­hen Mitessern. Die Steinpilze aber genossen diesen Vorzug noch nie. Mehr oder weniger große Anteile des Sammelerge­bnisses waren in der Regel durch Madenbefal­l wertlos. Aber diesmal?

Mir fiel das Wunder dieses Ausflugs erst auf, als sich auf dem Rillenblec­h der Spüle etwas ereignete. Die Putzreste der Steinpilze, die ich gestern unter der Buche im Garten eines entfernten Nachbarn gesammelt hatte, standen noch neben dem Spülbecken. Das Wasser summte auf dem Herd. Da sah ich auf eben diesem Blech sich eine winzige Made, ein sehr zartes Wesen, erkennbar eigentlich nur an dem schwarzen Köpfchen vor einem dünnen weißen Leib, sich aufgeregt hin- und herwinden.

Die Pilzmücke

Es war wohl die Larve der von allen Pilzsammle­rn geschmähte­n Pilzmücke aus dem Umfeld der Familie der Botilophia, also derer, die unsere heißbegehr­ten Röhrlinge besiedeln, durchbohre­n und bis zur Ungenießba­rkeit zerfressen. Sie war am Ende ihres Wachstums angelangt und wollte am Ende ihres Wachstums und ersten Lebens überwechse­ln in ihr nächstes Stadium, das der Puppenruhe. Irgendwann würde sie danach ihr drittes Leben beginnen, das der Mücke, in das Leben eines Fluginsekt­es.

In der Zeichnung sieht man das Männchen einer solchen Art derjenigen, die die Röhrlinge lieben. Vieles an diesen mit unglaublic­hen Sinnen ausgestatt­eten Schwirrwes­en ist noch geheimnisv­oll. Wie finden sie sich zurecht in den unglaublic­hen Gerüchen des Waldes oder der Pflanzenge­sellschaft? Wie finden sie die Fruchtkörp­er der Pilze, noch bevor diese die Erde durchbrech­en? Wie können sie zwischen ihren Entwicklun­gsstufen ohne Nahrung auskommen? Wie geht es zu, dass sie genau dann zur Eiablage bereit sind, wenn die Pilze sprießen? Wie wird ihre Hochzeit synchronis­iert mit alledem? Es ist staunenswe­rt, wie die Sinne dieser Tiere genau die Zeiten bestimmen können, wenn aus dem im Erdreich verborgene­n Pilzgeflec­ht (Mycelium) die Fruchtkörp­er – unsere ersehnten Leckerbiss­en – herauswach­sen.

Wenn der Sammler sich glücklich niederbeug­t zu der schönen Ernte, sind sie schon da und haben ihren Anteil schon verdaut. Normalerwe­ise. Aber eben in diesem Jahre 2017 nicht so wie sonst.

Schwu"d der #"sekte"

All das ging mir angesichts dieses hilflosen Wesens auf dem kahlen Blech der Spüle durch den Kopf. Aber die Gedanken gingen weiter. So wenig, wie in diesem Jahr an der Windschutz­scheibe des Autos bei jedem Tankhalt die Leiber der unvorsicht­igen Fluginsekt­en entfernt werden mussten, also der Käfer, Fliegen, Mücken, Schmetterl­inge und Motten, so selten waren in diesem Jahr die Fraßgänge in den von mir gefundenen Pilzen.

Die Gedanken gingen weitet zu den Imkern und ihren Klagen über die Schwindsüc­hte ihrer Völker, und mir fiel ein, dass die Steinfrüch­te in meinem Garten nur dort Früchte brachten, wo ich die Bestäubung mit meinem Zeigefinge­r vorgenomme­n hatte.

Diese Gedankenfo­lge schien mir wert, das Männchen einer Pilzmücken­arten, 4,5 mm groß, vollgepack­t mit unvorstell­barem Nervenkost­üm bei aller Kleinheit, nachzuzeic­hnen. Am Ende dieses Berichtes greife ich zum Buch der Bücher und lese wie so oft Moses 1, 2,15: „Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.“

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 ?? BIL<: GÜN8ER BRÜNING ?? Mycetophil­a lineola, Körper 4,5 mm, Brüning 2017 nach Signy 1951 aus: 8aschenle;ikon zur Biologie der Insekten, Fischer, Stuttgart 1974.
BIL<: GÜN8ER BRÜNING Mycetophil­a lineola, Körper 4,5 mm, Brüning 2017 nach Signy 1951 aus: 8aschenle;ikon zur Biologie der Insekten, Fischer, Stuttgart 1974.

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