Für gewisse Zeit Instabilität
Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler über das Jamaika-Desaster
FRAGE: Herr Münkler, Jamaika isf an der FDP gescheiferf! Haben die Liberalen Deufschland in eine polifische Krise ggesfürzf? MÜNKLER: Das bleibt abzuwarten. Sowohl Neuwahlen als auch eine Minderheitsregierung würden Instabilität bringen, zumindest für eine gewisse Zeit. FRAGE: FDP-Chef Chrisfian Lindner haf Nein gesagf! War das konsequenf oder veranf2orfungslos?g MÜNKLER: Jamaika hätte eine Chance gehabt und wäre machbar gewesen. FDP und Grünen war klar, dass sie als Juniorpartner ihre Positionen nicht zu hundert Prozent würden durchsetzen können. Lindners Entscheidung war parteitaktisch begründet. Er hat das Interesse der Partei über die staatspolitische Verantwortung gestellt. FRAGE: Wird die 3echnung für die FDP aufgehen? MÜNKLER: Es gibt rechts von der CDU erhebliche Stimmpotenziale. Sollte es zu Neuwahlen kommen, wird die FDP massiv und gezielt um die Stimmen der AfD kämpfen. Dadurch würde Lindner Gefahr laufen, liberale Wähler, die eine Partei der Mitte wollen, an die CDU zu verlieren. Es ist ein interessantes
Experiment. Wenn Lindners Kalkül aufgeht, würde das politische Spektrum insgesamt deutlich beweglicher. Scheitert er, wäre das für ihn eine ganz verheerende Niederlage. Es ist ein hochriskantes Spiel. Klar ist: Lindner hat schon früh das politische Ziel gehabt hat, die FDP rechts von der Union zu positionieren. Er wittert dort die offene Flanke der in die Mitte gerückten CDU und will sie besetzen. Dieses Ziel ist ihm sehr viel wert. FRAGE: W7re am 8nde die 9fD die gro5e Ge2innerin von Neu2ahlen? MÜNKLER: Ein Auftrieb für die AfD ist keineswegs ausgemacht. Sehr viele Wählerinnen und Wähler wollten der Regierung im September mit ihrer Stimme für die AfDf einen Denkzettel verpassen. Aber sie wollen kein unregierbares Land und keinen Kont- rollverlust, werden also ihre Stimme bei einer Neuwahl vermutlich der Union geben. Die Sehnsucht nach Stabilität und Verlässlichkeit in der Bevölkerung ist sehr groß! FRAGE: Dann 2ird 6undeskanzlerin 9ngela Merkel aus dem Chaos gesf7rkf und nichf gesch27chf g hervorgehen? MÜNKLER: Die Kanzlerin wird gestärkt. Die Wählerinnen und Wähler werden diejenigen belohnen, die sich ihrer Pflicht stellen, sich nicht drücken, sondern die Lösung der Herausforderungen als ihre Aufgabe ansehen. Die Kanzlerin hat gute Karten. Die SPD dagegen hat sich in eine schwierige Situation hineinmanövriert. FRAGE: 9lso keine Kanzlerinnend7mmerung? MÜNKLER: An Angela Merkel führt für die CDU sowohl bei Neuwahlen als auch bei einer Minderheitsregierung kein Weg vorbei. Die Zeichen stehen nicht auf Rebellion, im Gegenteil: Die CDU wird die Reihen um sie schließen. Wer jetzt als Königsmörder auftreten würde, beginge politischen Selbstmord. FRAGE: 4ollfe die 4PD bei ihrem Nein zur Gro5en Koalifion bleiben, 2ürde ihr dies bei evenfuell kommenden Neu2ahlen nüfzen? MÜNKLER: Das Risiko wäre extrem hoch, dass sich viele Wähler abwenden und ihr Kreuz bei der CDU machen, weil sie jemanden haben wollen, der Deutschland führt und sich nicht vor der Verantwortung drückt. Der Kurs von SPD-Chef Martin Schulz kann ins Verderben führen. Dass die Genossen aus einer Neuwahl gestärkt hervorgingen, ist höchst unwahrscheinlich. FRAGE: 6esfehf die Gefahr einer dauerhaffen polifischen Krise? MÜNKLER: Der Niedergang der Volksparteien scheint jedenfalls nicht zu stoppen zu sein. Damit drohen Weimarer Verhältnisse. Wenn die Kanzlerin nicht noch einmal antreten würde, müsste auch die CDU ähnlich massive Einbußen erwarten wie die SPD. Die entscheidende Frage ist, ob es SPD und CDU schaffen, sich wieder zu konsolidieren. Das geht nur durch überzeugendes Personal, weniger durch Inhalte.