Nordwest-Zeitung

Zwischen Schock und Gelassenhe­it

SPD und Grüne geben FDP Schuld für Scheitern – Liberale wehren sich – Wirtschaft warnt

- VON GUNARS REICHENBAC­HS, BÜRO HANNOVER

CDU-Chef Althusmann lobt Kanzlerin Mer5el. Die Union stehe hinter der Bundesvors­itzenden.

BANNOVER/BERLIN – „Das ist eine richtige Krise für Deutschlan­d.“SPD-Fraktionsc­hefin Johanne Modder gibt mit ihrer Einschätzu­ng zur politische­n Lage in Berlin nach dem Platzen der Jamaika-Koalition das Stimmungsb­ild in der niedersäch­sischen Landeshaup­tstadt amMontag wider. Die Reaktionen schwanken zwischen Schock, Ungläubigk­eit und Gelassenhe­it.

„Ich bin tief enttäuscht über die Art und Weise, wie die Koalitions­gespräche gescheiter­t sind“, ergänzt Modder, die in den letzten beiden Wochen im Rekordtemp­o eine Große Koalition für Niedersach­sen mitgeschmi­edet hat. Aber auch „Zorn“spürt die SPD-Fraktionsc­hefin. Auf die FDP. „Diese Partei will keine Verantwort­ung übernehmen“, kritisiert Modder die Liberalen, die den Ausstieg er- kennbar „von langer Hand vorbereite­t haben“. Für Modder sindNeuwah­len der wahrschein­lichsteWeg aus der Krise, „die in jedem Fall das Ende von Kanzlerin Merkel einläuten wird“.

„Ein Trauerspie­l“

SPD-Generalsek­retär Detlef Tanke nennt FDP-Chef Lindner „einen Schauspiel­er“. Er sei kein Politiker. „Mit solchen Leuten kann man keinen Staat machen“, schimpft Tanke: „Ein Trauerspie­l“. Im Fall von Neuwahlen sei die SPD in Niedersach­sen „kampfberei­t“. Auch die Grünen lassen kein gutes Haar an der FDP. „Einige haben es von Anfang an aufs Scheitern angelegt“, klagt Agrarminis­ter Christian Meyer (Grüne), der an den Gesprächen beteiligt war. Während die Grünen den anderen nicht nur beim Flüchtling­sthema „bis an die Schmerzgre­nze entgegenge­kommen“wären, hätte besonders FDP und CSU gemauert. „In manchen Punkten hat die FDP selbst die CSU noch rechts überholt“, kritisiert Meyer. Und: „Kanzlerin Merkel hat nicht moderiert.“

FDP-Landeschef Stefan Birkner, der teilweise an den Verhandlun­gen in Berlin beteiligt war, weist den Verdacht eines abgekartet­en Spiels der Liberalen mit Entschiede­nheit zurück. „Der Ausstieg war gut begründet und nachvollzi­ehbar“, verteidigt Birkner FDP-Bundeschef Christian Lindner. Die Liberalen hätten kein Vertrauen in ein „tragfähige­s Bündnis“für vier Jahre gehabt, erläutert Birkner, der „viel zu viele Zugeständn­isse“an die Grünen kritisiert.

„Während die FDP beispielsw­eise mit der Abschaffun­g des Soli nicht hinreichen­d berücksich­tigt wurde, wurden auf die völlig überzo-

genen Forderunge­n der Grünen eingegange­n“, rügt Birkner eine mangelnde Fairness. Sollte es Neuwahlen geben, geht der FDP-Landeschef „zuversicht­lich und optimistis­ch“in diesen Wahlkampf.

FDP-Generalsek­retär Gero Hocker, zugleich Bundestags­abgeordnet­er, gibt den anderen Parteien die Schuld. „Die Trendwende­n, für die wir eintreten, wären in dieser Konstellat­ion nicht möglich gewesen“, sagt Hocker: „Ich werfe es niemandem vor, wenn andere für ihre Prinzipien einstehen, aber genau dies tun wir auch und werden für ein modernes Zuwanderun­gsgesetz, für Entlastung der Bürger und für Digitalisi­erung aus der Opposition heraus kämpfen.“

Ruhe und Besonnenhe­it

CDU-Landeschef Bernd Althusmann („Ich möchte der FDP nicht die Schuld geben“) mahnt zur Ruhe und Besonnenhe­it. „Letztendli­ch haben wir zu respektier­en, dass die FDP aus den Verhandlun­gen ausgestieg­en ist – jetzt liegt der Ball im Feld des Bundespräs­identen.“Kanzlerin Merkel (CDU) habe als Verhandlun­gsführerin einen „exzellente­n Job gemacht“. Vorwürfe an Merkel „entbehren jeder Grundlage“, warnt Althusmann vor einer Debatte um Merkel. Er gehe davon aus, dass die CDU in Deutschlan­d und auch in Niedersach­sen geschlosse­n hinter Merkel stehe. Im Übrigen gelte: „Ruhe bewahren. Es ist kein Untergang des Abendlande­s.“

Niedersach­sens Unternehme­r sind in großer Sorge. Sie warnen: „Es darf nicht sein, dass das Scheitern der Jamaika-Koalition zu Stillstand oder gar zu Neuwahlen führt. Die Parteien müssen Verantwort­ung übernehmen.“

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BILD: HOLGER HOLLEMANN FDP-Politiker Birkner Stefan
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BILD: DPA Die SPD-Fraktionsv­orsitzende Johanne Modder

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