Hollywoodstar auf bemerkenswerter Tour de Force
Überragende Diane ;ruger in Fatih Akins NSU-Drama „Aus dem Nichts“– Start am Donnerstag
BERLIN – Es ist einer der größten Skandale der jüngeren Polizeigeschichte: Innerhalb mehrerer Jahre werden zehn Menschen ermordet. Weil die meisten von ihnen eine ausländische Herkunft haben, vermuten die Ermittler, dass die Opfer selbst in kriminelle Geschäfte verwickelt gewesen sein müssen. Erst viel später stellt sich heraus, dass die rechtsextreme Terrorvereinigung NSU hinter der Mordserie steckte.
Wie aber erging es den Angehörigen der Opfer? Denjenigen, denen statt Mitgefühl Schuldzuweisungen und Anfeindungen entgegenschlugen? Darüber hat nun Fatih Akin, Sohn türkischer Einwanderer, einen hochaktuellen, bemerkenswerten Film gedreht: „Aus dem Nichts“
(Kinostart am Donnerstag) mit Hollywoodstar Diane Kruger in der Hauptrolle.
Katja (Kruger) ist mit dem Kurden Nuri verheiratet. Gemeinsam haben sie einen kleinen Sohn und leben in Hamburg. Dann aber, „Aus dem Nichts“, zerbricht Katjas Leben. Bei einem Bombenan-
schlag sterben ihr Mann und Sohn. Die Polizei vermutet schnell, dass Nuri mit Drogen gehandelt oder die Wut irgendwelcher Krimineller auf sich gezogen hat. Das erscheint zunächst am wahrscheinlichsten. Dann aber – deutlich schneller als bei den NSU-Fällen – nimmt die Poli- zei zwei Tatverdächtige fest, ein junges Neonazi-Pärchen.
Das Werk will keine umfassende Analyse des komplexen Themas sein, sondern fokussiert auf Katja und ist dabei erzählerisch in drei Teile geteilt: den Anschlag, den anschließenden Prozess vor Gericht und Katjas Wunsch nach Rache. Genau das ist aber auch ein Schwachpunkt, oszilliert der Film so etwas zwischen Gerichtsfilm, Thriller und Drama. Und doch erinnert er in seiner Wucht an Akins größten Erfolg „Gegen die Wand“(2004).
Denn auch dieses Mal beweist der Regisseur (44) viel Einfühlungsvermögen und ein gutes Gespür für seine Hauptfigur. Er erzählt auf beklemmende Weise von Katjas scheinbar aussichtslosem Kampf um Gerechtigkeit. Akins Dialoge wirken wie aus dem Leben gegriffen, selbst kleinere Szenen mit Nebendarstellern sind präzise beobachtet und eingefangen.
„Aus dem Nichts“knüpft auch insofern an Akins Werke wie „Gegen die Wand“an, weil der Filmemacher wieder nicht vor provokanten Aspekten zurückschreckt. Gerade das Ende, zu dem hier nichts verraten werden soll, wird vielen Zuschauern nicht gefallen. Aber er passt genau zum Ton des Films und erzählt die Geschichte gleichzeitig konsequent fort.
Die eigentliche Stärke des Dramas ist aber Hollywoodstar Diane Kruger, geboren im niedersächsischen Hildesheim. „Aus dem Nichts“ist ihr erster Film auf Deutsch – vielleicht auch ein Grund, warum das Spiel der 41-Jährigen so intensiv und facettenreich wirkt.