Berufsunfähigkeit gilt auch bei leidensbedingtem Berufswechsel
BGH urteilt zugunsten der Versicherungsnehmer
In diversen versicherungsrechtlichen Prozessen wird immer wieder erbittert um Versicherungsleistungen aus Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen gestritten.Für den betroffenen Versicherungsnehmer steht nicht selten die Existenz auf dem Spiel, da während der Zeit der Berufsunfähigkeit regelmäßig kein oder ein geringeres Einkommen erzielt wird und er damit zwingend auf die Leistungen aus der Versicherung angewiesen ist, um seine Existenz zu sichern.
Der Fall
In einem vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 14.12.2016 (Az.IV ZR 527/15) entschiedenen Fall klagte ein betroffener HNO-Arzt gegen seine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.Der Begriff der Berufsunfähigkeit war im vorliegenden Falle in den Ver- sicherungsbedingungen wie folgt definiert: „Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens drei Jahre außerstande sein wird, seinen Beruf auszuüben und er auch keine andere Tätigkeit ausübt, die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.“
Der Kläger litt seit dem Jahr 2000 unter einer kompletten Arthrose des rechten Schultergelenks.Dies führte zu Einschränkungen der beruflichen Tätigkeit des Klägers.Seit 2005 führte der Kläger, der eine eigene Praxis unterhielt, bei seinen Patienten keine ambulanten chirurgischen Eingriffe und Operationen mehr durch. Er stellte schließlich eine für ihn tätig werdende Assistenzärztin ein.Im Jahr 2006 beantragte er Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung, die auch zunächst erbracht wurden.
Im Jahr 2010 teilte der Kläger dann seiner Versicherung mit, dass seine Praxis in ein Medizinisches Versorgungszentrum übergegangen und er seitdem bei diesem Unternehmen angestellt sei.Der Versicherer stellte daraufhin seine Leistungen ein.Zur Begründung wurde angeführt, dass eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht mehr vorliege, weil die vom Kläger nunmehr imVersorgungszentrum ausgeübte Tätigkeit seine bisherige Lebensstellung wahre, sodass nach der begrifflichen Definition in den Versicherungsbedingungen eine Berufsunfähigkeit ausscheide.
Das Urteil
Der BGH hatte nunmehr zu prüfen, ob eine Berufsunfähigkeit im Sinne der oben genannten Bedingungen vorliegt.Das Gericht wies darauf hin, dass für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit grundsätzlich die letzte konkrete Berufsausübung maßgebend sei, so wie sie „in gesunden Tagen“ausgestaltet war, das heißt solange die Leistungsfähigkeit des Versicherungsnehmers noch nicht eingeschränkt war.
Der betroffene Arzt begehrte in dem Prozess Leistungen für einen Zeitraum, zu welchem er weder in seiner vorherigen Praxis noch länger in dem Medizinischen Versorgungszentrum tätig war.Der BGH stellte nun zutreffend nicht auf die Tätigkeit ab, die der Arzt – aufgrund der Arthrose des rechten Schultergelenks eingeschränkt – zunächst in seiner HNO-Praxis und anschließend als Angestellter in dem Versorgungszentrum ausgeübt hatte.Denn dieser Berufswechsel vor Eintritt des hier zu entscheidenden Versicherungsfalls war ausschließlich leidensbedingt.Ausgangspunkt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit blieb daher ausschließlich die vor diesem leidensbedingten Berufswechsel ausgeübte Tätigkeit, also die zunächst ohne Einschränkungen ausgeübte Tätigkeit in der HNO-Praxis.Bei Vereinbarung einer konkreten Verweisungstätigkeit begründe die Beendigung der Vergleichstätigkeit erneut eine Leistungspflicht des Versicherers, wenn der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen unverändert außerstande sei, der in gesunden Tagen ausgeübten Tätigkeit nachzugehen.