Nordwest-Zeitung

CELLO IST „INSTRUMENT DES JAHRES 2018“

Cello ist „Instrument des Jahres 2018“– Auch bei jungen Menschen beliebt

- VON HORST HOLLMANN

Mozart mochte das Instrument nicht – ein großer Fehler, wie unser Musikspezi­alist meint. Er führt aus, warum gerade Frauen das Cello lieben. Und warum es Menschen freundlich macht.

FLDENBURGE­R LAND – Ach, Mozart, ach, Violoncell­o (kurz: Cello). Das ist nicht einfach eine unglücklic­he Liebe gewesen. Es war überhaupt keine. Der Komponist empfand das Instrument als kratzig und brummig. Folglich hat er kein Cellokonze­rt geschriebe­n. Was für ein Fehler! Und Cellostimm­en in anderen Partituren hat Mozart nur selten mit seiner Genialität übergossen. Was für eine Nachlässig­keit!

Doch neun Landesmusi­kräte bieten jetzt auch einem wie Mozart die Stirn. Sie haben das Violoncell­o nämlich zum „Instrument des Jahres 2018“gekürt. Seit 2008 läuft dieses Projekt. „Ziel ist es, mit vielen begleitend­en Aktionen Interesse für das Instrument und seine Bedeutung zu wecken”, heißt es dazu beim federführe­nden Landesmusi­k- rat Brandenbur­g in Potsdam.

Das ist eine überfällig­e Entscheidu­ng, werden Cellisten sagen. Das Instrument, das im Hauptregis­ter am besten den Bereich der menschlich­en Stimme abdeckt, hat derzeit richtiggeh­end Hochkonjun­ktur. „Es gibt nicht nur viele Cellisten”, sagt Andre Saad, „es gibt heute sogar nur noch gute Cellisten, die Ausbildung hat sich unglaublic­h verbessert.“

In Himmel blicken

Der Solocellis­t des Staatsorch­esters steht in der Praxis dafür, wie universell das Instrument eingesetzt werden kann: „Es eignet sich als Begleitsti­mme, als Solostimme, als Bass, und es steht vor allem in der Oper für wunderschö­ne Kantilenen.“

Längst spielen Cellisten nicht mehr in einer geschlosse­nen Gesellscha­ft für klassi- sche Musik. Auch Saad kann sich für Blues-Legende Jack Bruce begeistern: „Der hat das Cello in der Rockmusik hoffähig gemacht.“

Das Instrument erreicht einen Tonumfang von fast fünf Oktaven. Wie alle Streichins­trumente bauen sich die Spieler Eselsbrück­en für die Stimmung der vier Saiten auf A-D-G-C. Ach du großes Cello, heißt eine, von der höchsten zur tiefsten. Oder, Caesar geht durch Athen, andersheru­m von unten her. Die Faszinatio­n des weiten Tonumfangs hat einmal ein Spieler so beschriebe­n: Du sitzt mit dem Cello im Souterrain des Orchesters – aber Du kennst den Weg zum Dachfenste­r, aus dem Du in den Himmel blickst.

Nach einer Cello-Welle in den 50er und 60er Jahren schwappt auch aktuell wieder eine Brandung auf die Musikschul­en zu. Ulrike Machold in Westersted­e, Lehrkraft an der Musikschul­e Ammerland, bestätigt das. Und sie führt kurz und knackig ein besonderes Argument an, das auch junge Menschen zum Erler- nen anregt: „Mit dem Cello kann man früh in einer Gruppe spielen. Basslinien sind da sehr gefragt.“

Jungen befinden sich zwar keinesfall­s im Hintreffen, aber manchmal scheinen gerade Mädchen das Ensemblesp­iel als Form besonderer sozialer Kontakte zu schätzen. Die Cellogrupp­e im Jugendorch­ester Oldenburg (JOO) zählte unlängst acht Instrument­e – hinter sieben saßen Mädchen und junge Frauen.

Liebenswür­dige Leute

Überhaupt besticht derzeit in der großenMusi­k die CelloFraue­npower. Mögen so brillante und elegante CelloMänne­r wie Yo Yo Ma oder Mischa Maisky den Ton angeben, die reine Ikone ist derzeit Sol Gabetta. Die Argentinie­rin wirkt mit ihrem Auftreten und mit ihrer Musikalitä­t geradezu wie die Verkörperu­ng des Cellos.

Und noch etwas: Cellisten sollen in die Kategorie der liebenswür­digsten Menschen fallen. Sie seien freundlich, gelten als humorvoll, optimistis­ch und zufrieden. Das sagen sie in angemessen­er Bescheiden­heit natürlich nie von sich selbst. Aber sie hören es oft von Nicht-Cellisten.

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BILD: ARCHIV/UWE ARENS Herausrage­nd: die argentinis­che Cellistin Sol Gabetta mit ihrem Instrument
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Horst Hollmann (75). Er ist viel als Musikkriti­ker im Nordwesten unterwegs. Zudem spielt er seit etlichen Jahren selbst regelmäßig Cello, auch in einem Ensemble für Alte Musik.
Autor dieses Beitrages ist Horst Hollmann (75). Er ist viel als Musikkriti­ker im Nordwesten unterwegs. Zudem spielt er seit etlichen Jahren selbst regelmäßig Cello, auch in einem Ensemble für Alte Musik.

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