Fronten verhärtet
Die Wut wächst. Das Wahlvolk blickt enttäuscht und fassungslos nach Berlin. Zwei Monate nach der Bundestagswahl steht alles scheinbar wieder auf Null, herrscht Stillstand, und es ist nicht abzusehen, wie lange noch. Das parteitaktische Manöver der FDP hat das Jamaika-Experiment bereits beendet, bevor es eigentlich losgegangen war. Die Mehrheit der Deutschen bedauert das. Bewährungsprobe ja, aber keine Staatskrise – Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble tut gut daran, die Dinge zurechtzurücken. Mögen die Sondierungen auch gescheitert sein, es droht jetzt kein Chaos, die Lichter gehen nicht aus. Geht vielleicht doch noch was in Sachen Jamaika? Oder kommt die Große Koalition, und SPD-Chef Martin Schulz muss gehen? Bleiben am Ende doch nur Neuwahlen zu Ostern? Das wäre die schlechteste Alternative. Schließlich weiß niemand, ob der Koalitionsknoten dann im zweiten Anlauf gelöst würde, oder man nicht wieder vor den gleichen Problemen stehen würde wie jetzt.
Die Sondierungen nach den Sondierungen haben längst begonnen. Eine gut gelaunte Kanzlerin Angela Merkel streckt bereits hinter den Kulissen die Fühler aus, und die Union erhöht den Druck auf die Sozialdemokraten, sich noch einen Ruck zu geben. In der SPD bewegt sich unterdessen etwas. Die Zahl der Genossen, die die Absage an eine GroKo für einen Fehler halten, ist groß und stündlich melden sich mehr öffentlich zu Wort, die zur Umkehr raten. Ob die Wähler die selbstverordnete Oppositionsrolle und die Regierungsverweigerung wirklich honorieren würden, ist mehr als fraglich. Man kann nur hoffen, dass es Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gelingt, die verhärteten Fronten aufzulösen und den Stillstand zu beenden.